Den Lübecker Graben überwinden!

Was an den letzten Bürgerschaftssitzungen spektakulär war und unverzüglich geändert werden sollte, ist das gegenseitige Misstrauen und die gegenseitige Isolation von Bürgerschaft und Verwaltung in Lübeck. Hinzu kommt – seit dem unglücklichen Koalitionsbruch der SPD im Januar 2023 mit der Wahl der Bausenatorin – der tiefe Graben zwischen CDU und SPD, den die beiden stärksten Fraktionen kultivieren.

Besonders abschreckend waren dabei die Verleumdungen des Amtsinhabers. Ein Indiz für die negative Wirkung kommunaler Politik ist die gegenüber 2017 noch geringere Wahlbeteiligung von 37% beim ersten Wahlgang der Wahl des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin. 2017 waren es bei der Direktwahl im ersten Wahlgang noch 39,2%. Eine Wahlbeteiligung, die zwar  ebenfalls beschämend gering ist, aber für Wahlen von Bürgermeister- oder Bürgermeisterinnen in den Kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins leider nicht unüblich. 

Was tun? Die Antwort darauf ist kompliziert. Der spektakuläre Graben zwischen Verwaltung und Bürgerschaft oder besser, das Ohren-Verschließen vor den Fakten der Verwaltung in Lübeck, liegt nicht nur an den handelnden Personen. Die geänderte Kommunalverfassung von 1997, die den Senat als kommunalverfassungsrechtlich vermittelndes Organ abschaffte, ist eine wesentliche Ursache für das »Neue Schweigen«.

In der Senats-Verfassung bis 1997 wäre diese Nichtkommunikation unmöglich gewesen, weil die hauptamtlichen- und ehrenamtlichen Senatsmitglieder fest in die Fraktionen eingebunden waren. Dort übermittelten sie das alltägliche Verwaltungswissen in die Fraktionen und umgekehrt das Fraktionswissen wiederum in den Senat. Die neue Bürgermeister-Verfassung überlässt indes diesen für das kommunale Leben existenziellen Informationsaustausch der Willkür der führenden Personen. Diese kommunalverfassungsrechtlich vorgegebene Nicht-Organisation einer gegenseitigen verlässlichen Kommunikation ist äußerst schädlich.

Deshalb ist es nun in erster Linie eine neu erwachsene verfassungspolitische Pflicht der gleichgeordneten Repräsentanten beider Organe, hier des Stadtpräsidenten und des Bürgermeisters, proaktiv eine förderliche Kommunikationsordnung herzustellen. Dabei sorgt der Stadtpräsident in der Bürgerschaft und der Bürgermeister in der Stadtverwaltung für die jeweilige kommunikative Ordnung. Beide haben Störungen wie etwa Fake News in ihrer verheerenden Wirkung auf die Stadtpolitik auszuschließen. Ein Weitermachen wie bisher, die verbissene Optimierung des Falschen, ist zwar subjektiv naheliegender als die Suche nach Wegen, die man bisher noch nicht gegangen ist. Es ist indes für Lübeck hohe Zeit, die Inschrift des Holstentores, „CONCORDIA DOMI FORIS PAX“ (Eintracht drinnen, Frieden außen), nach 160 Jahren wiederzubeleben!

Demgegenüber ist die Analyse der Lübecker Nachrichten vom 8.11. 2023, die fragt, ob die hohe Zahl der Nichtwähler von über 60% auf die Einführung der Direktwahlen der Bürgermeister oder Bürgermeisterinnen ab 1998 zurückzuführen, und deshalb wieder abzuschaffen sei, offensichtlich ein Holzweg: