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Über Demokratie und Kultur in Lübeck

 

 

 

 

Über Demokratie und Kultur in Lübeck

 

Was haben die präfaschistischen Umtriebe im Lübeck der 1920er Jahre mit den heute in der Stadt diskutierten kulturpolitischen Leitlinien zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Keiner der Akteure von heute steht in der Tradition antidemokratischer Verschwörung von damals.

Alle – so darf unterstellt werden – sind guten Willens bemüht, die Kulturstadt Lübeck voranzubringen. Und natürlich steht die Possehl-Stiftung mit all ihrer segensreichen Arbeit für die Stadt nicht in dem Verdacht, den deutschnationalen Traum ihres Namensgebers realisieren zu wollen.

Auf den zweiten Blick aber doch etwas Entscheidendes: Die Frage nämlich, wie wir heute mit den geschichtlichen Lehren aus der Zerstörung der Weimarer Republik umgehen, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes zu ziehen versucht haben.

Der deutsche demokratische Wiederbeginn nach 1945 war auch ein »Nie Wieder«. Nie wieder Krieg. Nie wieder Meinungsmonopole à la Hugenberg. Nie wieder Macht ohne demokratische Kontrolle.

Demokratie und öffentliche Kontrolle als Prinzip für alle essentiellen Bereiche der Gesellschaft. Auch für die Kultur, „systemrelevant“, die Seele der Gesellschaft, kein Sahnehäubchen, sondern Grundnahrungsmittel. Die Kunst und der Kulturbetrieb sind für die Entwicklung unserer Ethik unverzichtbar. Ohne Fiktionen und ihre gesamtgesellschaftlichen Verbreitung ist moralische Erziehung unmöglich. Es ist kein Zufall, dass totalitäre Systeme die Kunstfreiheit einschränken – sie wollen die Einbildungskraft ihrer Untertanen begrenzen (Markus Gabriel, Moralische Fortschritt in dunklen Zeiten, universale Werte für das 21. Jahrhundert, Berlin 2020)

Viele sollen und müssen dazu beitragen. Und keineswegs nur die öffentliche Hand. Aber der Staat (die Stadt) muss die Rahmenbedingungen gestalten, Mindestfinanzierungen sichern usw. Die öffentliche Mitverantwortung für die Seele der Nation, genannt Kulturpolitik, kann und darf die Stadt nicht aus den Händen geben. Dies besser zu verstehen – dafür lohnt der Blick in die Vergangenheit.

Die Geschichte eines heute möglichen Tabubruchs in den Beziehungen zwischen Possehl-Stiftung und Stadt begann vor 100 Jahren.  Am 1.Januar 1921 trat Dr. Johannes Neumann das Amt des regierenden Bürgermeisters des Freistaates Lübeck an. Damit begannen 12 Jahre des Präfaschismus in Lübeck (vgl.dazu https://michaelbouteiller.de/?page_id=808).

Neumann war zeitweise leitendes Mitglied des Alldeutschen Verbandes (ADV), der es im Deutschen Reich auf ca.150.000 Mitglieder brachte. Der ADV war der führende völkische Ideengeber auf lokaler-, landes- und Reichsebene. Er war ein Think Tank, u.a. von Großindustriellen finanziert und straff organisiert. Er führte ins Dritte Reich.

Der Industrielle und Medienmogul Hugenberg war ebenso ein führendes Mitglied des ADV wie der Förderer und Freund Neumanns in Lübeck, Emil Possehl. Possehl war – auch dank des Erbes seines Vaters Ludwig – der reichste und politisch sowie kulturell einflussreichste damalige Bürger der Stadt (vgl.Bernd Kreutzfeld, Der Lübecker Industrie-Verein,Lübeck 1969, S. 46 f. https://michaelbouteiller.de/wp-content/uploads/2021/03/Industrieverein.pdf) Er war leider 1919 verstorben und konnte deshalb den Werdegang seines Freundes nicht weiter verfolgen. 

Hugenberg wiederum machte seinen verlässlichen Freund Neumann zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Scherl-Verlages in Berlin und hatte ihn auf diese Weise in seiner Nähe und Hand. Der Scherl-Verlag wiederum war die ideologische Herzkammer des völkischen Medien-Imperiums Hugenbergs, der über eine geniale Konzernstruktur (https://bit.ly/3sfevBG) seinen Arm tief auch im Lübecker Freistaat hatte.

Der Lübecker Generalanzeiger war nämlich Mitglied des Hugenbergschen Anzeigenverbundes (Allgemeine Anzeigen GmbH ALA) und bildete zusammen mit den ebenso unter völkischer Leitung befindlichen Lübecker Blättern die Speerspitze der damaligen geistigen Konservativen Revolution vor Ort.

Davon war der normalen Lübecker Bevölkerung nichts bekannt. Auch Senat und Bürgerschaft wollten von dieser Berliner Nebentätigkeit und den Umtrieben ihres Bürgermeisters im völkischen Milieu nichts gewusst haben. 

Seine kulturell tragende Rolle im Freistaat hatte Neumann Schritt für Schritt ausgebaut. Als Direktor der Gemeinnützigen, als im Kirchenrecht und kirchlichen Leben Hervortretender, als dem örtlichen ADV Vorsitzender und politisch-völkischer Aktivist. 

Neumanns Tochter, Hildegard Heise, eine bis heute wenig beachtete großartige Fotografin, heiratete den für Lübeck bedeutsamen Direktor des St.Annen-Museums, Carl Georg Heise. 

Die Krönung der kulturellen Lübecker Laufbahn Neumanns sollte dann die Leitung der Vorbereitungen eines Jahrhundert-Ereignisses und dessen Durchführung werden, die 700 Jahrfeier der Reichsfreiheit im Jahre 1926.  Bekannte Persönlichkeiten reisten an. 

Nur Hindenburg sagte leider ab. Dafür hielt der spätere Nobelpreisträger Thomas Mann im possehlschen Stadttheater die hochtönende, sich selbst preisende Lobrede „Lübeck als geistige Lebensform“. Die 1000 Mark Honorar waren ihm dafür ein willkommener Antrieb, schrieb er damals.

Alles in allem platzte die Strategie des Hugenberg-Zöglings Neumann. Julius Leber enthüllte das Komplott: Die Reichsregierung unter Wilhelm Marx sollte gestürzt und durch eine Diktatur abgelöst werden. Bürgermeister Neumann als Reichskanzler an der Spitze. Neumann trat am Morgen des Beginns der Jahrhundertfeierlichkeiten, am 3.Juni 1926,  zurück. Der erste sozialdemokratische Bürgermeister Lübecks, Paul Löwigt, wurde gewählt. Er leitete die Feierlichkeiten.

Thomas Mann hielt am 6.Juni 1926 indes ungerührt von den umstürzenden Ereignissen in seiner Heimatstadt seinen viel beachteten Vortrag.  Die Schulklassen zogen fröhlich durch die Stadt. Mahlaus Umzugsbilder erfreuten die Bevölkerung. Und niemand bemerkte – oder wollte es bemerken – die durch Julius Leber verhinderte – völkische Revolution in Lübeck. 

Der kulturellen Stadtelite gelang indes ein erstaunliches mediales Kunststück als Beweis ihrer kulturellen Hegemonie über die Stadt. Es war m.E. der größte Erfolg der Konservativen Revolution des geistigen Lübeck der damaligen Zeit: Schweigen allerorten. Nichts als Schweigen. Übrigens bis heute.

Fake News (statt des Aufbegehrens über den Präfaschismus, spielte man das Hohe Lied vom Guten und Schönen im Lübecker Stadttheater) und der fehlende offene Diskurs zwischen den Lagern, waren in dem gespaltenen Lübeck der 1920er Jahre eine der Ursachen für den späteren Umschlag vom Präfaschismus in den Faschismus.

Heute steht die Stadt wieder vor einer wichtigen politischen Entscheidung. Heute wieder fehlt die gebotene öffentliche Auseinandersetzung über eine Richtungsentscheidung – diesmal allerdings nur – in der Lübecker Kulturpolitik. Es geht um die bisher unbestrittene Eigenständigkeit kulturpolitischer Entscheidungen von Stadt und Possehl-Stiftung. Wer bestimmt die Kulturpolitik der Stadtgemeinde? Die Gremien der Stiftung oder die Bürgerschaft?

Natürlich haben sich die Umstände seither geändert. Natürlich hat sich die kulturelle Spaltung unserer Gesellschaft seit dem Zusammengehen von SPD und CDU in der ersten Großen Koalition 1966 langsam verringert. Das ist gut so. Denn vorwärts gerichtete Kompromisse zwischen den ökonomischen Lagern und ihren Frontorganisationen waren und sind der Motor gesellschaftlicher Entwicklung.

Gleichwohl herrscht wieder Schweigen in der politischen Landschaft. Dabei geht es diesmal nicht um Diktatur oder Demokratie. Es geht nicht um Mord und Totschlag. Aber seit Jan 6 wissen wir genauer: Worte sind geplante Taten. Und – was immer schon bekannt war -, Kunst ist vorweggenommene Zukunft. Und: Kulturpolitik ist ein Stück geistige Steuerung gesellschaftlicher Einheiten. Die Produktion der Träume vom Morgen.

Wir kennen auch das Gegenmittel: Was vor Präfaschismus schützt, ist die Verteidigung städtischer, demokratisch legitimierter Kultur. Dank unserer Weimarer Geschichte wissen wir nämlich: Es ist ein Leichtes, unter dem Deckmantel demokratischer Wahlen eine politische Einheit zu übernehmen. Gegen all das hilft nur rechtzeitige Aufklärung.

Das Verbot der Indoktrination, das Gebot der Kontroversität und das Gebot der Schülerorientierung. Diese drei Maximen sind starke Waffen gegen den Präfaschismus. Sie werden ganz offenbar in der Lübecker Kulturpolitik  nicht beachtet (  https://michaelbouteiller.de/?page_id=1793 ). 

Dabei knüpft die anstehende Entscheidung über die künftige Organisation der Kulturverwaltung an einen Namen an, dessen unheilvolles Wirken in der Lübecker politischen Geschichte der Nachkriegszeit eigentlich keine Auswirkungen mehr gehabt haben sollte. Possehls Name verbindet sich heute im Wesentlichen mit der Stiftung gleichen Namens. Deren großartiges Wirken ist hier indes nicht gemeint. 

Die andere Bedeutung des Namens Possehl, Emil Possehl als Treiber des völkischen (antisemitischen) Präfaschismus im Kaiserreich und der Weimarer Republik, steht im Fokus. Sein Versuch, über kulturelle Dominanz den Freistaat zu prägen. 

Denn kulturelle Prägung würde die Stiftung des Herrenmenschen Possehl heutzutage zweifellos über die städtische Kulturpolitik gewinnen, wenn die zur Zeit zur Abstimmung in der Lübecker Bürgerschaft anstehende Vorlage vom 8.10.2020 – dazu noch ohne breiten öffentlichen Diskurs – angenommen würde: „Leitlinien zur Kulturentwicklung.“ 

Damit wäre nach 100 Jahren vollzogen, was Emil Possehl in seinem Todesjahr 1919 persönlich und mit seiner Stiftung damals eigentlich beabsichtigte und selbst nicht mehr erreichen konnte: die anhaltende kulturelle Prägung „seiner Stadt“. Das dülfersche Gebäude in der Beckergrube durch Spenden maßgeblich zu ermöglichen, war ja das eine. Die Herrschaft über die geistigen Inhalte „des alltäglichen städtischen Theaters“ auszuüben war dem klugen Despoten indes immer schon wichtiger.

Es geht denn auch nach hundert Jahren nicht mehr um den Einfluss eines durch und durch völkischen Machtmenschen. Es geht vielmehr heute um den ganz unschuldig daherkommenden Versuch, stikkum die kulturelle Dominanz der Meinungsträger:innen in der Stiftung seines Namens über die kommunalen Organe der Stadtgemeinde Lübeck herbeizuführen. Ich bin übrigens davon überzeugt, dass auch in den Gremien der Stiftung die Brisanz „der Kooperation“, die in der Vorlage vorgeschlagen wird, nicht hinreichend bekannt ist.

Diese Attacke sollte man jedenfalls als Lübecker Bürger:in  abwehren. Possehl hin oder her. Possehl war – wie wir wissen – damals – nicht die Stadt. Seinerzeit gab es die Sozialdemokratie und den gegen das possehlsche geistige Erbe kämpfenden Julius Leber. Und Possehl ist auch heute (noch) nicht die Stadt.

Stattdessen sollte das öffentliche Ringen um eine demokratische Stadtkultur endlich beginnen ( https://bit.ly/3uemkcu). Auszüge der Verwaltungsvorlage vom 8.10.2020 und eine Einschätzung dazu findet man hier : https://bit.ly/3aH1hI4

Mein persönliches Fazit: Weder in der Firma Possehl, noch in den Gremien der Stiftung weht heute der Geist des Gründers. Gleichwohl sollte jede Vermischung oder der Anschein vermieden werden. Die Stiftung unterstützt mit ihren privatwirtschaftlichen Gewinnen die Kultur der Stadt. Die Hansestadt Lübeck ist demgegenüber die Hüterin der öffentlichen Gelder von Stadt, Land, Bund und der Europäischer Union. Einklagbar sind Inhalte kultureller Vielfalt – deshalb auch nur bei der öffentlichen Hand. Denn nur sie muss sich rechtfertigen vor den Bürger:innen.

MB, 23.2.2021

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Allgemein/Politik/Geschichte

Das konservative Amerika: Die Taliban der reichen Welt

Der Abstieg der konservativen Amerikaner in Wahnsinn, Gewalt und Faschismus

Umair Haque 18.2.2021

Hier ist eine kleine Frage. War der 6. Januar Amerikas Tiefpunkt?

Um Ihnen bei der Beantwortung zu helfen, finden Sie hier eine auffällige, ernüchternde und beunruhigende Tatsache. Seit dem Putschversuch am 6. Januar, bei dem Todesschwadronen durch die Hallen des Kongresses streiften, um nach „Feinden des Volkes“ zum Massaker zu suchen, wo würden Sie Trumps Unterstützung unter den Republikanern erwarten?

Wenn Sie den Republikanern den Vorteil von Treu und Glauben geben, würden Sie vielleicht erwarten, dass er sinkt. Immerhin war dies mehr oder weniger eines der beschämendsten und groteskesten Kapitel der amerikanischen Geschichte. Sie müssen Jahrhunderte zurückgehen, um herauszufinden, wann das Kapitol das letzte Mal angegriffen wurde – und von faschistischen Milizen angegriffen wurde? Angeblich von einem Präsidenten angestiftet? Das ist nie passiert. Der 6. Januar war ein einzigartiger Moment in der amerikanischen Geschichte.

Und Sie könnten daher vernünftigerweise erwarten, dass es einen Tiefpunkt erreicht, und Sie könnten daraus weiter schließen, indem Sie sich denken: „Selbst Republikaner müssen denken, dass dies zu weit gegangen ist. Richtig?“

Falsch. Seit dem 6. Januar hat Trumps Unterstützung unter den Republikanern zugenommen . Dramatisch. Und das ist ein schlechtes Omen für die kommenden Dinge. Welche Art von Menschen unterstützen schließlich einen gewalttätigen, blutigen Staatsstreich? Es stellte sich heraus, dass die Arten von Menschen mit Konzentrationslagern, Kindern in Käfigen und Gestapos auf den Straßen einverstanden waren – die gesamte klassische Lehrbuchsequenz des Faschismus. Wenn Sie mit… Konzentrationslagern… einverstanden sind, ist es keine Überraschung, dass Sie mit einem Coup einverstanden sind. Es ist alles Teil Ihrer… Weltanschaaung. Das ist ein altes deutsches Wort für eine einfache Idee: eine Weltanschauung .

Was passiert mit Amerika?

Das konservative Amerika wird radikalisiert. Du weißt es und ich weiß es. Experten wissen es und meistens erfinden sie Ausreden dafür. Die Wahrheit ist jedoch ebenso düster wie schrecklich. Das konservative Amerika wird schnell, streng und massiv radikalisiert.

Als soziale Gruppe vertreten konservative Amerikaner heute Überzeugungen, die eher den Taliban entsprechen als beispielsweise ihren Kollegen in Europa, Kanada oder Australien. Nein, ich mache keine Witze. Konservative Amerikaner scheinen zu glauben, dass alle folgenden Dinge Menschenrechte sein sollten: ein Sturmgewehr nach Starbucks tragen, so viele Waffen haben, wie Sie möchten, die „Redefreiheit“ haben, um Bigotterie und Hass zu praktizieren, die Idee der weißen Vorherrschaft, eingebettet in Institutionen und gesetzlich durchgesetzt, die Auferlegung der fundamentalistischen Religion über den Staat.

Folgendes glauben sie nicht, sollten grundlegende Menschenrechte sein. Gesundheitswesen, Bildung, Ruhestand, Kinderbetreuung, Transport, Einkommen, Wohnen, Essen, Wasser, sanitäre Einrichtungen, Medizin.

Ich möchte, dass Sie wirklich sehen, wie pervers diese Ansichten sind. Sie sind das diametrale Gegenteil der Mehrheiten in jedem anderen reichen Land. In Europa, Kanada und Australien glauben die Menschen im Großen und Ganzen, dass Gesundheitsversorgung, Ruhestand und Bildung usw. grundlegende Menschenrechte sein sollten, nicht Waffen, Hass und Fundamentalismus. Wir wissen das, weil sie insgesamt für sie stimmen . Dies ist das Gegenteil von Amerikas konservativer Mehrheit.

Daher mache ich keine Witze, wenn ich sage, dass amerikanische Konservative den Taliban mehr ähneln als „Konservativen“ in Europa, Kanada oder Australien. Amerikanischen Konservativen wirklich sind anders. Wer glaubt noch, dass Sturmgewehre ein Menschenrecht sind? Diese Religion sollte das Gesetz diktieren? Dass Hass und Vorherrschaft kulturelle Normen, soziale Werte und politische Institutionen sein sollten? Die Taliban tun es .

Auch dies ist kein Witz. Es ist eine Warnung . Das konservative Amerika, das ein Großteil des weißen Amerikas ist, wird radikalisiert .

Sie könnten mit den Schultern zucken und sagen: „Na und! Das weiß ich schon!“ Aber irgendwie bezweifle ich, dass du es wirklich tust. Diejenigen von uns, die die schreckliche, desorientierende Erfahrung einer Gesellschaft erlebt haben, die um uns herum radikalisiert wird, können Ihnen sagen: Was in Amerika passiert, ist die Realität . Wenn es sich für Sie so anfühlt, als hätte ein großer Teil Amerikas gerade den Verstand verloren, dann liegt das daran, dass… es so ist.

Was bedeutet „Radikalisierung“?

Es geht weit über das hinaus, was sich viele Amerikaner vorstellen. Es bedeutet so etwas wie das Folgende. Über einen Zeitraum von Jahren, vielleicht Jahrzehnten, werden Menschen konditioniert und einer Gehirnwäsche unterzogen, um zu glauben, dass a) Gewalt die Antwort auf alle politischen Probleme ist; b) Hass ist die Antwort auf alle sozialen Probleme; c) Bigotterie ist die Antwort auf alle kulturellen Probleme; weil d) die Starken und Reinen überleben müssen, indem sie die Schwachen und Unreinen überwältigen; so dass d) ein magisches, oft religiös gesalbtes Königreich auf Erden herrscht.

Radikalisierung ist ein seltsamer, giftiger Cocktail aus vielen, vielen Dingen – all den Aromen menschlicher Dummheit und Torheit. Es verbindet den Sozialdarwinismus mit einer Nietzscheanischen Übermensch-Ideologie. Es predigt fundamentalistische Religion und vergisst dabei die Grundprinzipien jeder Religion. Es rechtfertigt sich mit zunehmend ausgefallenen „Theorien“, die im Klartext nur Big Lies bedeuten – der Messias kommt und so weiter -, deren Ziel es ist, die Auserwählten in Ritualen der sinnlosen Indoktrination zusammenzubinden. Es geht offen um Gewalt und Brutalität mittelalterlicher Art. Es sucht jetzt hier auf der Erde nach einer Apokalypse, denn das ist der beste Weg, das Reine vom Unreinen zu trennen – eine endgültige Lösung.

Klingt das alles für Sie nach amerikanischem Konservatismus? Es sollte . Ich sollte es nicht noch einmal sagen müssen, aber ich werde es tun: Amerikanische Konservative scheinen jetzt die Art von Menschen zu sein, die solche Dinge glauben – braune Kinder in Konzentrationslager zu bringen ist eine gute Sache, weil es Trump dient und Trump Gott dient und Amerika ist Gottes verheißenes Land für die Reinen.

Nichts davon hat sich geändert. Sie glauben immer noch das alles. Sie scheinen den Grundsätzen wirklich radikalisierter Glaubenssysteme auf immer härtere und extremere Weise zu glauben . Nehmen wir die Idee, die sich unter evangelischen Christen verbreitet, dass Trump eine Art religiöser Held ist . Nehmen Sie QAnon, der besagt – wenn Sie es noch nicht wissen -, dass Hillary Clinton die Gesichter der Kinder filetiert hat , um ihr adrenalisiertes Blut zu ernten und zu trinken, um für immer jung zu bleiben.

Der einfachste Weg, den radikalen Verstand zu verstehen, ist jedoch eine sehr einfache Frage. Was ist der Rest von uns für die Radikalisierten? Die Antwort auf diese Frage ist normalerweise so einfach wie aufschlussreich. Nimm einen radikalisierten Muslim. Was ist der Rest von uns? Ungläubige. Wohin gehen wir? Hölle. Was verdienen wir hier auf Erden? Nichts . Außer vielleicht Leiden, Schmerz und Hass.

Stellen wir nun die Frage für amerikanische Konservative. Was ist der Rest von uns für sie? Mit dem Rest von uns meine ich uns alle . Und hier wird es wirklich hässlich, sehr schnell. Sie scheinen zu denken, dass Minderheiten rassisch unterlegen sind, was bedeutet, dass sie genetisch, mental, kulturell und sozial unterlegen sind. Die LGBTsind Heiden, gottlose Menschen, was natürlich auch Minderheiten sind. Liberale sind „Feinde des Volkes“, wie jeder auf „ihrer Seite“, von Journalisten über Intellektuelle bis hin zu Politikern. Aber Oppositionspolitiker sind die schlimmsten von allen. Sie sind Verräter, die „die Wahlen gestohlen haben“, und sie verdienen jede Strafe, die ihnen bevorsteht, auch wenn es sich um einen Staatsstreich handelt, dessen Ziel es zu sein schien, sie zu massakrieren.

Denken Sie an all das. Was sagt es, dass die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Konservativen den Putsch unterstützt hat? Dass Trumps Unterstützung danach stieg ? Zu einer sozialen Gruppe, die bereits mehr mit den Einstellungen der Taliban gemein hat als beispielsweise Weiße in Europa oder Kanada? Es heißt, dass sie schneller radikalisiert werden, als Sie oder ich blinzeln können.

Nehmen Sie noch einmal das Beispiel von QAnon. Wenn ich Ihnen vor ein oder zwei Jahrzehnten gesagt hätte, dass viele der durchschnittlichen amerikanischen Konservativen geglaubt hätten, Hillary führe satanische Rituale durch, bei denen sie Kindergesichter zerschneidet, um ihr adrenalisiertes Blut zu trinken, damit sie für immer jung bleibt… auf die die Juden Weltraumlaser schießen Amerika … dass Liberale Pädophile sind, die Satan verehren … Sie hätten mich wahrscheinlich ausgelacht. Aber jetzt lacht niemand mehr . Wie viele Konservative glauben solche Dinge? Die einzig richtige Antwort darauf lautet: viel zu viele: 56% der Republikaner glauben an einen Teil von QAnon. Mehr als die Hälfte. Denk darüber nach.

Die Grundprinzipien eines radikalisierten Glaubenssystems steigen und verhärten sich unter amerikanischen Konservativen schnell. Die Idee, dass Gewalt etwas zu bewundern ist, weil sie die Schwachen von den Starken trennt. Die Idee, dass eine bestimmte Gruppe von Auserwählten von Gott dazu bestimmt wurde, über die anderen zu herrschen, die minderwertig sind. Das Gefühl, dass sie wegen ihres Adels und Heldentums von unsichtbaren und bösartigen Feinden verfolgt wurden – die in einer endgültigen Lösung beseitigt werden müssen. Die Vorstellung, dass Demokratie selbst etwas zu verachten ist, und die Regel des Religionsrechts und die bloße Brutalität sollten geschätzt werden. Die Rechtfertigung all dessen mit zunehmend bizarren, gruseligen und grotesken Lügen – deren einziger wirklicher Zweck darin besteht, Konservative vor hässlichen Wahrheiten wie zu schützenniemand anderes ist gewalttätig oder gefährlich oder hasserfüllt hier als sie .

Sie könnten sich sagen: „Radikalisierung ist nicht das richtige Wort. War das konservative Amerika nicht immer ziemlich schrecklich? “ Du liegst nicht falsch. Was hier passiert, ist nicht die Entwicklung eines neuen Glaubenssystems, sondern die Umkehrung zu einem alten. Und in diesem Fall überhaupt nicht sehr alt. Bis 1971 (dem Ende der Segregation) war Amerika, wie ich glaube, viel bekannter und verständlicher sein sollte, der größte Apartheidstaat der Welt. Südafrika war vergleichsweise nur ein Ausrutscher.

Das war vor weniger als einem Leben. Und es ist klar, dass sich viele Amerikaner nie über das Glaubenssystem der Zeitalter der Sklaverei und Segregation hinaus entwickelt haben – das Glaubenssystem der Vorherrschaft und des Hasses, gerechtfertigt durch Religion, Ausnahmezustand und Patriotismus. Das konservative Amerika scheint wieder dorthin zurückzukehren, wo es vor 1971 war, vielleicht sogar lange zuvor. Es ist eine soziale Gruppe, in der gerade alles läuft .

Ich mache keine Witze darüber. Wer wählt nach den Konzentrationslagern wieder einen Präsidenten, Gestapos, Kinder in Käfigen, Schläge, Verschwindenlassen, die Lehrbuchsequenz des Faschismus? Konservative Amerikaner. Trumps Anteil an den weißen Wählern Amerikas stieg von 2016 bis 2020.

Viele (nicht alle) Amerikaner auf der linken Seite haben das Gefühl: Jetzt, wo Biden gewonnen hat, ist alles in Ordnung. Aber das ist, wie das Amtsenthebungsverfahren gezeigt hat , sehr, sehr falsch. Warum ist die GOP immer noch Trumps Partei? Warum entschuldigte sich Mitch McConnell mit mehligem Mund für den Freispruch ? Da die GOP hat Trump Partei sein. Republikanische Wähler halten ihre Füße ans Feuer. Weil das konservative Amerika radikalisiert wird, hat die GOP keine andere Wahl, als eine geradezu extremistische Partei zu sein, die jede schlechte Idee in der Geschichte der Menschheit unterstützt, vom Faschismus bis zur Theokratie.

Und das sind sehr schlechte Nachrichten. Weil Fanatiker und Extremisten, die die Demokratie aufgegeben haben, normalerweise nicht mit ihren Werkzeugen kämpfen. Sie greifen auf mehr, na ja, extreme Methoden zurück. Waffen und Bomben. Terror und Einschüchterung. Gewalt und Brutalität. Dummheit und Hass. Eine Welle von allem, was jetzt auf dem Plan steht, einfach weil Millionen von Amerikanern einer Gehirnwäsche unterzogen wurden, um zu glauben, dass all das in Ordnung ist. Ihre Prediger sagen ihnen, dass es so ist. Ihre Journalisten verstärken die Botschaft. Ihre Intellektuellen rechtfertigen es. Ihre Politiker feuern alles an. Wer bleibt übrig, um sie zur Vernunft zu führen? Niemand .

So viele, viele Gesellschaften sind gefallen. So entstanden die Taliban. Auf diese Weise wurde die muslimische Welt zu einer Brutstätte für Verrücktheit und gescheiterte Staaten. So wurde Russland zum Mafia-Staat, wie es heute ist. Es ist die Geschichte der Menschheitsgeschichte, immer und immer wieder.

Verlassen Sie sich nicht auf Demokratie, wenn die andere Seite sie bereits aufgegeben hat. Die zu erledigende Arbeit geht weit über das bloße Verlassen auf Demokratie hinaus, wenn die andere Seite glaubt , dass es das Problem ist und die Lösung eine endgültige ist .

Welche Art von Arbeit ist das? Es geht um Wirtschaft, Kultur, Soziales und darum, Normen, Werte, Codes, Ideen in jedem Lebensbereich und in jedem Aspekt der Gesellschaft zu ändern. Und dann, langsam, vielleicht, nur vielleicht, ändern sich auch die Gedanken .

Und als jemand, der zuvor Radikalisierung gelebt hat, weiß ich so viel. Wenn es nicht gestoppt wird, mit einer Grundwelle, schnell und sicher, überwältigt es ein Land – Schnappschuss !! – so wie das. Ich denke, dass gute Amerikaner im Moment ihre Selbstgefälligkeit und Apathie an der Tür überprüfen müssen – nein, Biden wird nicht auf magische Weise alles reparieren – und ernsthaft verstehen müssen, wie viel Ärger ihr Land wirklich hat. Denn die Antwort lautet: viel , viel mehr, als sie noch wirklich vollständig zu erfassen scheinen.

Umair 

Februar 2021

Rassismus im Alltag: Rocky Mount in Virginia

 

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Kulturentwicklungsleitlinien Lübeck – 16 Thesen zur politischen Einschätzung

 

Michael Bouteiller, Lübeck, den 11.2.2021
16 Punkte zur Einschätzung der Vorlage „Leitlinien zur Kulturentwicklung“

  1. Unter dem Deckmantel einer „organischen Stadtkultur“ soll – wenn ich das richtig lese – für Lübeck eine im Ergebnis Ideologie-bildende Suprastruktur geschaffen werden.
  2. Sie soll die kulturelle Legitimität Lübecks als „organische Kulturstadt“ erzeugen und begründen.
  3. Die siebenfache Verwendung und Hervorhebung des Wortes „organisch“ in der Vorlage legt nahe, dass Ziel der Autor:innen die grundlegende Wandlung der jetzigen Stadtorganisation hin zu einer flexiblen (flüssigen) Produktionsstätte kultureller Dominanz sein soll.
  4. Diese Produktionsstätte arbeitet vorbei an der Einbettung in Funktionen und Strukturen herkömmlichen kommunalverfassungsrechtlichen Entscheidens.
  5. Deshalb wird in dem Papier – entgegen des Wortlauts- keine inhaltliche Leitlinie vorgeschlagen, sondern es wird unter dem Begriff „Kulturentwicklungskonzept“ in Wirklichkeit eine neue Handlungseinheit geschaffen. Nicht mehr und nicht weniger.
  6. Denn ohne die Handlungseinheit „KTH“ findet sich auf den 54 Seiten der Vorlage lediglich eine (verdienstvolle) Aufstellung vorhandener kulturaffiner Institutionen und Initiativen. Außerdem enthält das Papier Leerformeln.
  7. Die öffentlich-rechtlichen Zuständigkeits- und Verantwortungsketten des kommunalen Verfassungsrechts greifen (nach Einrichtung von KTH) nicht mehr. Gleiches gilt für die Bindungen des kommunalen Finanzrechts.
  8. Die Verbindung einer finanzstarken Stiftung (Possehl) mit der Stadtverwaltung in einer organisatorischen Einheit lässt die Verantwortlichkeiten für städtisches und/oder privates Entscheiden diffus. Die gebotene Trennung von Stftungs- und städtischer Verantwortung entfällt.
  9. Die Einflussnahme der Stiftungsvertreter und der privaten Interessenten, die eigene gewerbliche Zwecke vertreten (Kreativwirtschaft), gegenüber denjenigen der Stadt ist nicht kontrollierbar. Ihre Vertreter:innen stellen sich keiner öffentlichen Verantwortung.
  10. Der Beirat hat nach dem Konzept eine starke Stellung. Die Zusammensetzung wird man sich entsprechend der Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft „Kulturtreibhaus“ vorstellen können (https://www.kulturtreibhaus.org/idee/arbeitsgemeinschaft-kulturtreibhaus/)
  11. Im Zweifel wird sich der finanzielle Anreiz (Possehl-Stiftung: jährlich ca. 1/4 des Unternehmensgewinns, 2015 waren es ca.15 Mio.€))- gleich, ob und wie das einzelne Projekt gefördert wird oder nicht – in der Projektentscheidung durchsetzen. Städtische Gremien (Bürgerschaft, Ausschüsse, Controlling) werden vor vollendete Tatsachen gestellt.
  12. Das Meese-Projekt 2019 dient dabei als ein Produktions-Beispiel (S.33). Dazu und zu seinen Implikationen: https://michaelbouteiller.de/?page_id=1575
  13. Die beabsichtigte Ansiedlung des KTH bei der LTM ist dysfunktional.
  14. Ein von den Verfasser:innen benutzter Rückgriff auf das Regensburger Modell „Forum Kreativwirtschaft“ ist mit dem hier ins Auge genommenen Gewicht und der Organisationsstruktur KTH nicht vergleichbar.
  15. Mit der Beschlussfassung dieser Vorlage gerät die Stadt in die Hände einer nicht kontrollierbaren (privat-public) „Kreativwirtschaft“, deren Gefahren von mir beschrieben sind: https://michaelbouteiller.de/?page_id=1793
  16. Stattdessen sollten sich die zuständigen städtischen Gremien mit den zukünftigen inhaltlichen Leitlinien einer demokratisch verankerten kulturellen Entwicklung unserer Stadt befassen.

 

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Fake News: Mit Schadensersatz-Klagen gegen Verleumdungen.

Wer kennt den Roman „Erfolg, Drei Jahre Geschichte einer Provinz,“ (1930) von Lion Feuchtwanger ? Nun wird die Geschichte in den USA eingeholt:

https://www.google.de/amp/s/www.nytimes.com/2021/02/06/business/media/conservative-media-defamation-lawsuits.amp.html

Auszug aus dem Artikel der NYTymes:

Lawsuits Take the Lead in Fight Against Disinformation. Defamation cases have made waves across an uneasy right-wing media landscape, from Fox to Newsmax. 6.Februar 2021, by  Michael M. Grynbaum

Übersetzung: Klagen übernehmen die Führung im Kampf gegen Desinformation; Verleumdungsklagen schlagen Wellen in einer unruhigen rechten Medienlandschaft, von Fox bis Newsmax.

…Wie andere prominente Liberale in ihrem Beruf hatte Frau Kaplan lange Zeit Verleumdungsklagen als eine der Möglichkeiten für die Reichen und Mächtigen betrachtet, ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen. 

Letztes Jahr verklagte Mr. Trumps Kampagne mehrere Nachrichtenorganisationen wegen einer Berichterstattung, die der Präsident als ungünstig oder unfair erachtete. Der Technologie-Milliardär Peter Thiel finanzierte etwa die Klage von Hulk Hogan gegen den Klatschblog Gawker, die das Unternehmen schließlich in den Ruin trieb.

„Was sich geändert hat“, sagte Frau Kaplan, „und wir alle haben es vor unseren Augen geschehen sehen, ist die Tatsache, dass so viele Menschen da draußen, einschließlich Menschen in Autoritätspositionen, einfach bereit sind, alles zu sagen, unabhängig davon, ob es irgendeine Beziehung zur Wahrheit hat oder nicht.“

Einige Anwälte, die auf den Ersten Verfassungszusatz spezialisiert sind, sagen, dass ein Axiom – das beste Gegenmittel gegen schlechte Rede ist mehr Rede – in einer Medienlandschaft, in der Fehlinformationen den öffentlichen Diskurs über zahllose Kanäle überschwemmen können, von Kabelnachrichten bis hin zu den Facebook-Seiten von Familie und Freunden, möglicherweise nicht mehr gilt.

„Das sollte nicht die Art und Weise sein, wie wir die Rede in unserem Land regeln“, sagte Kaplan. „Es ist kein effizienter oder produktiver Weg, die Wahrheitsfindung oder journalistische Qualitätsstandards durch einen Rechtsstreit vor Gericht zu fördern. Aber ich denke, es ist an den Punkt gekommen, wo das Problem im Moment so schlimm ist, dass es praktisch keine andere Möglichkeit gibt, es zu tun.“

Mr. Trumps Aufstieg ist ein untrennbarer Teil dieser Verschiebung. Seine Popularität steigerte die Gewinne und die Macht der rechten Kommentatoren und Medien, die ihn verteidigten. Im November, als Mr. Trump das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen anzweifelte, obwohl es keine glaubwürdigen Beweise gab, war es für seine Medienverbündeten kommerziell und redaktionell sinnvoll, seinem Beispiel zu folgen.

Der Newsmax-Moderator Greg Kelly weigerte sich, Joseph R. Biden Jr. als designierten Präsidenten zu akzeptieren und wurde dafür mit einem Anstieg der Einschaltquoten belohnt. Fox News war vorsichtiger – das Netzwerk erklärte Mr. Biden am 7. November zum nächsten Präsidenten – aber einige Fox-Stars, darunter Mr. Dobbs, Ms. Bartiromo und Ms. Pirro, boten seinen Anwälten, Mr. Giuliani und Ms. Powell, und anderen, die das haarsträubende Wahlbetrugs-Narrativ vorantrieben, erhebliche Sendezeit.

In einem Beispiel, das in der 276-seitigen Beschwerde von Smartmatic zitiert wird, strahlte Mr. Dobbs‘ Programm eine falsche Behauptung von Frau Powell aus, dass Hugo Chávez, der ehemalige Präsident von Venezuela, an der Entwicklung der Technologie des Unternehmens beteiligt gewesen sei und Software installiert habe, damit Stimmen unbemerkt ausgetauscht werden konnten. (Herr Chávez, der 2013 starb, hatte nichts mit Smartmatic zu tun.)

Smartmatic zitierte auch eine Episode von „Lou Dobbs Tonight“, in der Herr Giuliani die Wahl fälschlicherweise als „gestohlen“ bezeichnete und behauptete, dass Hunderttausende von „ungesetzlichen Stimmzetteln“ gefunden worden seien. Herr Dobbs beschrieb die Wahl als das Ende „eines viereinhalbjährigen Versuchs, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu stürzen“, und erhob das Gespenst der Einmischung von außen.

Herr Dobbs sagte, „es gibt das Gefühl einer Vertuschung an bestimmten Stellen, wissen Sie – die Server sind privat und senden aus dem Ausland“.

Fox hat versprochen, die Rechtsstreitigkeiten zu bekämpfen. „Wir sind stolz auf unsere 2020 Wahl Berichterstattung und wir werden uns energisch gegen diese Klage vor Gericht verteidigen“ sagte das Netzwerk in einer Erklärung am Tag, bevor es Herrn Dobbs Show abbrach.

Führungskräfte in konservativen Medien argumentieren, dass die Smartmatic Klage unbequeme Fragen darüber aufwerfe, wie Nachrichtenorganisationen öffentliche Persönlichkeiten präsentieren sollen: Ms. Powell war eine Verschwörungstheoretikerin, aber sie war auch die Anwältin des Präsidenten. Sollte es einem Medienunternehmen erlaubt sein, ihre Behauptungen zu veröffentlichen?

„Es gibt einen neuen Standard, der für alle Kabelkanäle sehr gefährlich ist, sagte  Christopher Ruddy, der Besitzer von Newsmax und ein Trump Vertrauter, in einem Interview am Samstag. „Sie müssen alles, was Personen des öffentlichen Lebens sagen, auf Fakten überprüfen, und Sie können für das, was sie sagen, für verleumderisch gehalten werden.“ Herr Ruddy behauptet, dass Newsmax eine faire Sicht auf die Behauptungen über Wahlbetrug und Wahltechnologie-Unternehmen präsentiert. Newsmax-Personal wurde auf den potenziellen Schaden hingewiesen, der aus Behauptungen resultiert, die auf ihren Shows zu hören sind.

 In einem außergewöhnlichen On-Air-Moment am Dienstag begann Mike Lindell, der MyPillow-Gründer und ein überzeugter Trump-Verbündeter, Dominion anzugreifen – und wurde prompt von einem Newsmax-Moderator, Bob Sellers, unterbrochen, der eine formelle Erklärung vorlas, dass Newsmax die Wahlergebnisse „als legal und endgültig“ akzeptiert hatte.

Fox-Führungskräfte offenbarten ihre eigenen Bedenken im Dezember, nachdem Smartmatic einen Brief verschickt hatte, der signalisierte, dass ein Rechtsstreit bevorstehe. Fox News und Fox Business strahlten ein ungewöhnlich gestelztes Segment aus, in dem ein Wahlexperte, Edward Perez, Verschwörungstheorien über Wählerbetrug entlarvte, die kürzlich auf den Sendern ausgestrahlt worden waren. Das Segment lief in drei Programmen – die von Herrn Dobbs, Frau Bartiromo und Frau Pirro moderiert wurden. (Newsmax, das ebenfalls einen Brief von Smartmatic erhielt, strahlte seine eigenen Klarstellungen aus).

Diese Angst vor Haftung hat sich in kleinere Ecken der rechten Mediensphäre ausgeweitet. Herr Giuliani, der eine Show auf dem New Yorker Radiosender WABC moderiert, wurde am Donnerstag überrascht, als sein Arbeitgeber einen Disclaimer während seiner Show ausstrahlte, der sich und seine Werbekunden von Herrn Giulianis Ansichten distanzierte.

„Müssen die Sie vor mir warnen?“ fragte Mr. Giuliani seine Zuhörer und klang dabei ungläubig. „Das aufzuziehen, ohne es mir zu sagen – das ist nicht das Richtige. Überhaupt nicht das Richtige.“

Yochai Benkler, ein Professor an der Harvard Law School, der Desinformation und Radikalisierung in der amerikanischen Politik studiert, sagte, dass die Lügen des Präsidenten über die Wahl die Pro-Trump-Kanäle über die relativ laxen Standards hinaus getrieben haben, die für On-Air-Kommentatoren gelten.

„Die Wettbewerbsdynamik in der rechten Empörungsindustrie hat sie alle über die Schienen gezwungen,“ sagte Herr Benkler. „Dies ist die erste Reihe von Klagen, die sie tatsächlich dazu zwingen wird, die Kosten für die Schäden, die sie der Demokratie zufügen, zu übernehmen.“

Herr Benkler nannte die Smartmatic-Klage „ein nützliches Korrektiv“ – „es ist ein Tritt auf die Bremse“ – aber er mahnte auch zur Zurückhaltung. „Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir diese Klagen feiern, denn die Geschichte der Verleumdung ist sicherlich eine, in der Leute an der Macht versuchen, Kritiker niederzuschlagen.“ ….

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Warum „Präfaschissmus“ ?

Zunehmend gewinnt dieser Begriff in der politologischen, soziologischen und historischen Wissenschaft Gewicht. Das ist gut so.

Der Begriff „Präfaschismus“ eignet sich m.E. für die Analyse des Zustandes einer gesellschaftlichen Einheit (Stadt,Land, Staatenbund usw.) gut.

„Präfaschistisch“ beschreibt dabei eine konkrete Gefahrenlage. Ohne hinreichende Gegenwehr realisiert sich die Gefahr.

Der Begriff „Konservative Revolution“ beschreibt demgegenüber keinen gesellschaftlichen Zustand, sondern eine bestimmte – durchaus heterogene – Gedankenwelt von Personen oder Personengruppen.

Diese kann handlungsrelevant werden, mündet aber nicht notwendig in Faschismus. D.h. im Falle des völkischen Faschismus in Mord und Totschlag, national und international. Bürgerkrieg und Staatenkrieg.

Es geht um die Bekämpfung dieser Gefahr und die frühzeitige Abwendung ihres Eintritts, d.h. des Umschlags in den Faschismus. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gefahrenlage sich bereits zu einer Massenbewegung entwickelt hat. Diesen Umschlag in die Massenbewegung gilt es gerade zu verhindern.

Zur Auseinandersetzung um den Begriff vgl. auch Dirk Stegmann: Zwischen Repression und Manipulation: Konservative Machteliten und Arbeiter- und Angestelltenbewegung 1910-1918. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der DAP/NSDAP, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. XII (1972), S. 351-432; Ders.: Vom Neokonservatismus zum Protofaschismus: Konservative Partei, Vereine und Verbände 1893-1920, in: Ders. u. a. (Hrsg.): Deutscher Konservatismus im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Fritz Fischer, Bonn 1983, S. 199-230.

Weitere Beispiele für den Gebrauch des Begriffes: MB, Vom Präfaschismus zum Faschismus- das Lübecker Beispiel, 2020, https://michaelbouteiller.de/?page_id=1683; Naika Forutan,Tagesspiegel, 22.7.2018, https://m.tagesspiegel.de/politik/migrationsforscherin-naika-foroutan-ich-sehe-da-eine-emotionale-distanz/22830476-2.htm ; Tymothi Snyder, https://www.spiegel.de/politik/ausland/usa-wir-muessen-uns-wieder-das-vertrauen-der-welt-verdienen-sagt-historiker-a-0e702e52-9e82-4e99-ab2a-5f31a7ee1f21-amp;

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Dr.Heinz Bouteiller und der Flussspatbergbau

Dr.Heinz Bouteiller und der Flussspatbergbau

Spion, Abenteurer und Millionär: Geschichte eines Vermögens, das in den asturischen Minen geboren wurde

Brief Friedrich Engels an August Momberger

Literatur zur Flußspat- Aufbereitungsanlage Karlsruhe

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Die vier Lübecker Brandjahre 1994 – 1997

Die vier Brandanschläge der 90er Jahre haben Lübeck verändert

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IBZ Friedenshaus Bielefeld Gründung 1981

Die Lage der Ausländer in der BRD als Anlass für de Gründung des IBZ
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„Schuldenbremse“ identische Fake News der Konservativen in den USA und BRD

Helping Kids Is a Very Good Idea Republicans won’t support the Democrats’ proposal, but they should.

NYTimes

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By Paul Krugman   

Jan. 25, 2021

Manche Dinge in der amerikanischen Politik sind völlig vorhersehbar, selbst in einer Zeit des Aufruhrs und des QAnon-Wahnsinns. Jeder, der in den letzten zehn Jahren aufgepasst hat, wusste, dass, sobald ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht, die Republikaner sofort eine weitere 180-Grad-Wendung in Bezug auf die Haushaltsdefizite machen würden.

Erinnern Sie sich, die G.O.P. ging vom Hyperventilieren über Schulden als existenzielle Bedrohung während der Obama-Jahre zur völligen Gleichgültigkeit gegenüber Defiziten unter Donald Trump über. Sicherlich überrascht es niemanden, dass die Republikaner jetzt, da Joe Biden Präsident ist, sofort wieder zur Defizit-Hysterie zurückkehren.

Warum gehen die Republikaner plötzlich wieder mit der Schuldenphobie hausieren? Ihr übliches Argument ist, dass die Staatsverschuldung eine Belastung für künftige Generationen ist; ich und andere haben viel Zeit damit verbracht, zu erklären, dass dies schlechte Ökonomie ist.

Aber lassen Sie die Ökonomie der Schulden beiseite. Sollten Politiker, die behaupten, sich furchtbar um die Zukunft von Amerikas Kindern zu sorgen, sich nicht dafür einsetzen, Amerikas Kindern heute tatsächlich zu helfen?

Das ist keine hypothetische Frage. Berichten zufolge arbeiten die Demokraten an einem Gesetz, das den meisten amerikanischen Familien mit Kindern monatliche Zahlungen anbieten würde und unter anderem die Kinderarmut ungefähr halbieren könnte.

Besonders erfreulich an dem geplanten Gesetz ist, dass sich die Demokraten endlich vom republikanischen Rahmen gelöst zu haben scheinen, nach dem jede Leistung in Form einer Steuergutschrift erfolgt. Dies wird offenbar ein unkomplizierter Vorschlag sein, um Geld an qualifizierte Familien zu schicken.

Unter der Annahme, dass die Demokraten den Versuch von Mitch McConnell, die Partei, die die Wahl gewonnen hat, daran zu hindern, die Kontrolle über den Senat zu übernehmen, endlich überwinden können, werden die Republikaner bald über dieses Gesetz abstimmen müssen. Wie werden sie ein Nein rechtfertigen?

Einige Hintergrundinformationen: Amerika sticht unter den wohlhabenden Ländern dadurch hervor, dass es Familien mit Kindern nicht viel Hilfe bietet. Der Anteil der Ausgaben für Familienleistungen am Bruttoinlandsprodukt beträgt in den USA weniger als ein Drittel des Durchschnitts der reichen Nationen. Das hat zur Folge, dass wir eine viel höhere Rate an Kinderarmut haben als unsere Mitbewerber.

Unsere Knauserigkeit schadet uns sehr. Ökonomen haben gezeigt, dass frühere Erweiterungen der Hilfe für Familien mit Kindern, wie die allmähliche Einführung von Lebensmittelmarken in den 1960er und 1970er Jahren und die Ausweitung von Medicaid in den 1980er Jahren, das Leben der Kinder nicht nur kurzfristig verbessert haben; Kinder, die die Hilfe erhielten, wuchsen zu gesünderen, produktiveren Erwachsenen heran als diejenigen, die die Hilfe nicht erhielten. Wenn wir nicht noch mehr für Kinder tun, verkümmern wir ihre Zukunft und die der ganzen Nation.

Aber können wir es uns leisten, mehr zu tun? Unabhängige Schätzungen der Kosten für so etwas wie den berichteten Vorschlag der Demokraten beziffern das Preisschild auf etwa 120 Milliarden Dollar pro Jahr. Zum Vergleich: Das ist nur etwa die Hälfte der Einnahmeverluste, die 2021 durch die Steuersenkung von 2017 entstanden sind.

Und die Hilfe für Kinder würde das erreichen, was die Befürworter der Steuersenkung versprochen haben, aber nicht halten konnten: eine Verbesserung der langfristigen wirtschaftlichen Aussichten Amerikas. Wenn die Kinder, denen wir heute helfen, zu gesünderen, produktiveren Erwachsenen heranwachsen, als sie es sonst tun würden – und das werden sie -, wird das letztendlich einen höheren Bruttosozialprodukt bedeuten.

Und die Hilfe für Kinder würde auch indirekt dem Haushalt helfen, weil diese Kinder später mehr Steuern zahlen und weniger wahrscheinlich auf Sicherheitsnetzprogramme angewiesen sind. Diese fiskalischen Vorteile könnten sogar so groß sein, dass sich die Hilfe für Kinder selbst bezahlt macht, und in jedem Fall bedeuten sie, dass die wahren Kosten für die Hilfe für Kinder, selbst in engen fiskalischen Begriffen, geringer sind, als sie erscheinen.

Alles in allem ist eine erhöhte Hilfe für Familien mit Kindern eine gute Idee. Sie würde das Leben von Millionen von Amerikanern sofort verbessern, sie würde uns in der Zukunft stärker machen, und sie würde nur bescheidene Haushaltskosten verursachen. Wie also werden die Republikaner im Kongress rechtfertigen, dass sie dagegen sind? Weil Sie wissen, dass die meisten, wenn nicht alle, von ihnen werden.

Eine Antwort ist natürlich, dass sie über fiskalische Verantwortung schreien werden und hoffen, dass die Wähler ein sehr kurzes Gedächtnis haben.

Eine andere Antwort ist, dass sie behaupten werden, die Biden-Administration und ihre Verbündeten hätten eine „linksradikale Agenda“ – denn nichts schreit so sehr nach fanatischem Marxismus wie Kindern genug zu essen und ein Dach über dem Kopf zu geben – und hoffen, dass die Wähler nicht herausfinden, was die Demokraten eigentlich vorschlagen. (Das gilt für viel mehr als für Kinderkredite: Umfragen deuten darauf hin, dass bei Themen wie Steuern und Gesundheitsfürsorge die Republikaner, nicht die Demokraten, die Radikalen sind, deren Ansichten nicht mit der öffentlichen Meinung übereinstimmen.)

Schließlich werden wir sicherlich eine Version des konservativen Standardarguments hören, dass jede Politik, die das Elend reduziert, den Anreiz verringert, sich selbst zu versorgen – Sie wissen schon, die Arbeitslosenversicherung ermutigt die Leute, arbeitslos zu bleiben, Lebensmittelmarken ermutigen sie, faul zu sein, und so weiter. Dieses Argument für ein breit angelegtes Programm zur Unterstützung von Kindern zu bringen, wird schwer sein, aber sie werden einen Weg finden.

Eine Sache, die ich nicht erwarte, ist irgendein gutgläubiges Argument gegen die Hilfe für Familien mit Kindern. Das soll nicht heißen, dass der Vorschlag der Demokraten perfekt sein wird; zweifellos werden Experten Wege sehen, wie er besser sein könnte. Aber mehr für Kinder auszugeben ist eine sehr gute Idee, wirtschaftlich und moralisch, und sollte Gesetz werden.