Schweizer Monatshefte 5/1968
“Soldaten sind Mörder“, schrieb Kurt Tucholsky in einer Glosse für die Zeitschrift „Weltbühne“ vom 4. August 1931
Liest man den Bericht von Mikhail Zygar »Vom Ende des Krieges. So stellt sich Russlands Elite den Sieg vor« (Spiegel, 24.4.2024), so denkt man zugleich an das vorweggenommene und akzeptierte Morden und Töten aller Anderen. Sind die Widerständigen erst mal weg, dann herrscht der für die Milliardengeschäfte der MeinungsführerInnen solcher Schlachten notwendige „Frieden“. Hilfsmittel sind dabei Bilder der Vergangenheit mit offenbar faszinierender Wirkung für die herbeigesehnte Zukunft. Alles ist möglich. So mag die Konferenz von Jalta 1945 wiederbelebt werden. Damals trafen sich Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin und Winston Churchill auf der Krim und teilten die Welt auf. Jetzt will Putin – nach Zygar – einen neuen Gipfel: mit Trump und Xi Jinping. Geeignete Köpfe, denen wir am Ende alles zutrauen, Weltköpfe eben.
Das klingt nicht unwahrscheinlich. Erst recht nicht für Massenmörder und ihresgleichen. Ihresgleichen sind m.E. alle diejenigen, die derart nationale oder sonstige völkerrechtswidrige Angriffskriege anzetteln oder in ihren Gedankenspielen die völkerrechtskonformen »Abwehrschlachten« durchspielen. Beispiele sind zur Zeit Russland, Ukraine, Israel, Sudan, Iran, USA, Deutschland usw., die ihre in- und ausländischen Kriegsindustrien längst angekurbelt haben. Zeitenwende eben. Oder besser: Eigentlich und uneigentlich mehr oder weniger alle 193 Mitglieder der UN. Dort wird ein Anfang des großen Spiels für alle sichtbar: Das historische Einerlei des altbekannten gegenseitigen Abschlachtens menschlichen Lebens hat begonnen.
In der Zeit von 1945 bis 2024 waren die in Deutschland lebenden drei Generationen nach den zweiten 30-jährigen Kriegen von 1914-1945 davon nicht unmittelbar betroffen. Francis Fukuyama, der US-amerikanische Politologe, sprach 1992 sogar euphemisch vom Ende der Geschichte im hegelschen Sinn. Die von Norbert Elias aufgeschriebene reale Geschichte der Zivilisation (Über den Prozess der Zivilisation, 1939) fände damit indes heute ein Ende ganz anderer Art, wie das als Möglichkeit von Elias bereits 1985 vorausgedacht worden ist: Die ganze oder teilweise Vernichtung menschlichen Lebens (Norbert Elias, Humana conditio, Beobachtungen zur Entwicklung der Menschheit am 40.Jahrestag des Kriegsendes, Frankfurt a.Main 1985, S.68 ff).
Jedenfalls ist der 300. Geburtstag Immanuel Kants am 22.April 2024 ein willkommener Anlass über Moral und Postmoral angesichts dieses Prozesses der Zivilisation nachzudenken. Markus Gabriel sagt zu Recht: »Wir müssen den Mut haben, ohne Leitung durch seinen (Kants, MB) Verstand zu denken, ohne deswegen, wie heute leider postmoderne und postkoloniale Mode, Verstand und Vernunft insgesamt nicht als Medien der Emanzipation, sondern als Ausreden der Unterwerfung misszuverstehen.« (FR,22.4,2024).
Der allseits bemerkbare „Omnistress“ als Hinweis auf einen Beginn weltweiter gesamtgesellschaftlicher Depression (Umair Haque, The Rise of Omnistress, Plus, Why Gen Z’s So Unhappy, And Everyone Else Is, Too , https://www.theissue.io/r/33cb6972?m=082f95f9-fcec-406f-a3be-3cf6bddee88f) fordert unseren Mut heraus, selbständig darüber nachzudenken. Denn der mit der Depression verbundene kulturelle Pessimismus löst sich bekanntlich auf in autoritäre Gewalt (Fritz Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr (1963), 2.Auflage, Stuttgart 2018).
Robert Reich sagt, worum es bei der US-Wahl im November 2024 geht: Um Demokratie oder Faschismus (https://youtu.be/3Cjjh3VNOjs?si=USkTmVIJIdsV4701).Hier die Übersetzung:
Donald Trump möchte, dass Sie angewidert sind. Er will, dass du zynisch bist. Und er möchte definitiv nicht, dass du dir dieses Video ansiehst. Warum? Denn so gewinnt er 2024. Lassen Sie mich das erklären.
Die Wahlstrategie der Republikaner basiert auf dem Chaos. Je mehr Chaos sie schaffen, desto pessimistischer fühlen sich die Amerikaner über die Fähigkeiten unserer Demokratie, die Nation zu regieren. Also geben wir die Demokratie auf und wenden uns einem sogenannten starken Mann zu.
Trump hat seine Partei dazu gedrängt, das Wahlergebnis 2020 zu leugnen, die Regierung zu schließen, Aufständische zu begnadigen, Präsident Biden anzuklagen, Hunter Biden zu untersuchen, die Finanzierung der Ukraine einzustellen und die Strafverfolgung, mit der Trump konfrontiert ist, zu behindern. Er schürt Hass, verwendet faschistische Sprache, indem er seine Gegner als „ungeziefer“ bezeichnet und behauptet, dass die Einwanderung die Nation zerstört.
Trump möchte, dass die Wähler glauben, dass Amerika unregierbar ist und dass die einzige Lösung ein Autoritärer wie er ist, der übernimmt. Und er möchte, dass diejenigen, die ihn nicht unterstützen, so angewidert sind, dass sie sich abschalten – und sich nicht einmal die Mühe machen, abzustimmen.
Trumps Chaos-Agenda übertönt auch die Nachrichten darüber, wie gut wir tatsächlich unter Präsident Biden regiert werden. Selten hören wir davon, wie die Wirtschaft weiterhin eine Rekordzahl neuer Arbeitsplätze schafft.
Ganz zu schweigen von den Milliarden von Dollar, die in die Reparatur der Infrastruktur des Landes und die Bekämpfung des Klimawandels investiert wurden. Medicare auf dem Weg, die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente zu senken. Milliarden an Studentenschulden wurden annulliert, trotz der Urteile des rechten Obersten Gerichtshofs. Unternehmensmonopole wurden angegriffen. Das Recht der Arbeitnehmer, sich zu organisieren, verteidigt.
Trump und seine Verbündeten wollen nicht, dass Sie etwas davon wissen. Und leider spielen die Medien mit, indem sie sich hauptsächlich auf Chaos und Dysfunktion konzentrieren, mit der Neigung, beiden Seiten im Namen einer „ausgewogenen Berichterstattung“ die Schuld zu geben.
Leute, der politische Kampf unserer Zeit ist nicht mehr links gegen rechts, Demokraten gegen Republikaner. Es ist jetzt Demokratie gegen Faschismus. Seien Sie gewarnt. Und helfen Sie, die Nachricht über Trumps Chaos-Agenda zu verbreiten, indem Sie dieses Video teilen.
Für Lübeckerinnen und Lübecker und darüberhinaus könnte die Schlussfolgerung des Gutachters über die Motivation der jugendlichen Lübecker Brandstifter im Gerichtsverfahren um den ersten Brandanschlag auf eine Synagoge in Deutschland nach 1938 (25.3.1994) vor dem Oberlandesgericht Schleswig ein Menetekel sein:
»Soweit es sich um junge Männer handelt, dient deren martialische Aufmachung als kompensatorischer Schutzmantel zur Stabilisierung ihrer brüchigen sexuellen Rollenidentität. Diese Jugendlichen sind besonders agressionsbereit, und so verwundert es nicht, daß nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz 70 % derjenigen, die Fremde, Ausländer, Asylbewerber, Andersdenkende und Behinderte bekämpfen, Jugendliche im Aller von 13 bis 20 Jahren sind. Von diesen sind wiederum 96 % männlichen Geschlechts.
Die sogenannte rechtsradikale Orientierung mit nationalsozialistischem Gedankengut ist weniger eine politische Bewegung, denn eine Notgemeinschaft von existentiell bedrohten und überforderten Jugendlichen. Die Reichskriegsflagge ist mehr Provokation denn politische Willensäußerung. Entlehnt sind die gedanklichen Inhalte bei der Generation der Großeltern, die vermutlich häufiger auf die vorhandene Ordnung und klare Strukturierung in ihrem Jugendalter hingewiesen haben. Rechtsorientierte Skinheadgruppen sind gekennzeichnet durch eine Primitivsozialisation über Außenfeindbilder: „Hasst du was, dann bist du was“ «
»Die Provokationen der von uns Ungeliebten und sozial Ausgegrenzten verden nämlich solange nicht aufhören, wie wir ihnen die ihrer Notstandspersönlickeit entsprechenden Daseins- und Lebensmöglichkeiten vorenthalten, solange wir nicht bereit sind, diese Menschen in unsere soziale Gemeinschaft mit zu integrieren«
(Prof.Gerd Schütze, „Unsere Gesellschaft liebt die ausgegrenzten Jugendlichen nicht, Frakturen“, Gegenwartsfragen 75, Kiel 1995, S. 62)
Es ist einfach erschreckend, wie schnell die Lübecker kulturelle Elite die völkischen Senats-Regierungen der Zeit des Deutschen Reiches und der nachrevolutionären Weimarer Zeit von 1921-1933 vergessen hat und vergisst. Der Hauptgrund für solch ungewöhnliches Vergessen ist wohl das Wirken des Lübecker Milliardärs Emil Possehl über seinen Tod am 4. Februar 1919 hinaus.
Der Arzt Helmut Dennig erzählt anlässlich einer Ansprache bei der Einweihung der Possehl-Büste von Otto Mantzel im Possehl-Haus in Travemünde erzählt der Arzt Helmut Dennig von seinen Eindrücken aus mehrfachen Besuchen und Ferienaufenthalten im Hause seines Onkels Emil Possehl als Kind und Jugendlicher 1912 und 1916. Er habe seinen Onkel als leidenschaftlichen Menschen erfahren, der das Risiko nicht scheute. So sei er nach dem Dienst bei den Bonner Husaren, im erfolgreichen 70er Krieg als Rittmeister zurückgekehrt und als erster hoch zu Ross „durchs Holstentor gesprengt“, was damals verboten gewesen sei.
Und weiter: Ein wichtiger Teil seines immensen kaufmännischen und industriellen, weltumspannenden Erfolges beruhe auf Menschenkenntnis, mit der er sich hervorragende Mitarbeiter herausgesucht und herangezogen habe. Die Hauptsache sei aber gewesen, dass er selber die Fäden seines Werkes immer in der Hand behalten habe. „In jeder Ecke“ habe man seinen „tatkräftigen und klaren Willen“ verspürt. 1916 habe er, Dennig, den Urlaub als Kriegsverwundeter im Hause Possehl verbracht.
Possehl hatte das furchtbarste Erlebnis seines Lebens gerade hinter sich, Anklage und die rund einjährige Untersuchungshaft (wohl wegen Verdunklungsgefahr im Untersuchungsgefängnis in Hamburg) wegen Landesverrats vor dem Reichsgericht in Leipzig. Er sei zwar frei- und schuldlos gesprochen worden. Aber dass er, der Patriot, der „Überpatriot“, überhaupt verdächtigt habe werden können, das habe ihn schwer angegriffen.
Man habe damals über Geld gesprochen. Was er – Possehl – denn davon habe? Etwa Gutes zu tun? Nein, was das Geld ihm biete, sei etwas anderes, nämlich Macht. Die Macht, Gutes oder auch Böses zu tun, nach rein eigener Willkür. Genau das habe seinen Onkel Emil Possehl ausgemacht: eine „machtvolle Persönlichkeit“ aus „Machthunger“. Machthunger sei sein eigentlicher innerer Antrieb gewesen, sein „Urinstinkt“. Dennigs Charakterisierung seines Onkels, dessen leidenschaftlicher Machthunger gepaart mit Risikofreude, erklärt die rastlosen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten des umtriebigen Lübecker Milliardärs. Des „Überpatrioten“!