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Allgemein/Politik/Geschichte Lübeck

Vom zweiten Versuch, das Holstentor im Geiste etwas anzuheben*

*Jonas Geist, Versuch, das Holstentor im Geiste etwas anzuheben, Zur Natur des Bürgertums, Berlin 1976

Die LN freuen sich, dass „endlich“ etwas los ist in Lübeck. OK! Skandal, Skandal. Die LN waren immer auch ein Aktionsblatt, das – wie die Bildzeitung – nicht von der neutralen Analyse des Stadtgeschehens, sondern von der Aktion lebte, die sie selbst lostritt.


Rückblick: Am 17.7. 2021 griff die Politikredakteurin der LN, Josephine von Zastrow, in den LN (S.10) das Thema Kommunalverfassungsreform auf und erzählte das Märchen von einer Reform der Kommunalverfassung, die die kommunale Demokratie auf den Kopf stelle.


Der Artikel stänkerte gegen eine allmächtige Verwaltung, die die Aufträge der Bürgerschaft missachte und damit der Demokratie schade. Das war kein Zufall und nicht dem 25jährigen Jubiläum der Kommunalverfassung vom 19.3.1997 geschuldet, sondern ein Angriff auf Bürgermeister Jan Lindenau.


Denn anders als dessen Vorgänger straffte der am 1.Mai 2018 angetretene Bürgermeister die Lübecker Verwaltung, machte sie handlungsfähiger und verstand sich – anders als seine damalige Kontrahentin und von den LN im Wahlkampf deutlich bevorzugte Senatorin Kathrin Weiher – schon in seinem knapp erfolgreichen Wahlkampf -auf Internet basierte Kommunikationsmittel. Er bediente die „sozialen Medien“, und wurde dadurch in gewissem Maß unabhängig von dem Lübecker Monopolblatt.


Ein Jahr nach diesem Artikel vom 17.7.2021, am 29. Oktober 2022, S.12, brachte die unermüdliche Kämpferin gegen die sinkende Auflage der LN dann erneut ihre Sturmgeschütze in Stellung. Sie degradierte in einem Artikel erst den Lübecker Bürgermeister zum Senator. Dann hob sie die Senator:innen zu Senator:innen nach altem Recht an.

Diese sollten endlich die von der Lokalredakteurin neu erdachte alte Rolle, als mit dem Bürgermeister gleichberechtigte Senator:innen im (abgeschafften) Senat wahrnehmen. Denn sie seien dem Bürgermeister nicht untergeordnet, sondern ihm gleichgestellt und alleine für ihr Dezernat zuständig. Der Bürgermeister sei – wie das bis 1997 geltendes Recht war – nur „primus inter pares“.

Diese falsche Darstellung des geltenden Kommunalrechts musste die LN zwar offiziell widerrufen. Die Politik-Redakteurin ließ aber nicht locker. Sie erkor nun Jörg Sellerbeck zu ihrem Zielobjekt, da dieser sich immer schon gegen die herrschende Baupolitik gewandt hatte und von dem man sich als zukünftigem Bausenator versprach, auch gegen den Bürgermeister die Puppen zum Tanzen zu bringen.

Der Zeitpunkt schien günstig. Die Bausenator:innen-Wahl stand an und der Lübecker und CDU-Mann war zu dieser Führungsrolle bereit. Allerdings lief die Wahlvorbereitung durch seine Partei derart dilettantisch, dass auch seine Promotoren der LN eingestehen mussten: „Lübecks Senatorenwahl – eine Farce“ (LN 17.12.2022, S.9). Und so kam es dann auch.

Entgegen des Zugriffsrechts der CDU, das die Voten der SPD für den CDU-Kandidaten vertraglich zusicherte, gewann die bisherige Bausenatorin, Joanna Hagen, am 26.1.2023 die Wahl. Damit war die sogenannte GroKo aus SPD und CDU zu Ende. Der Krug der beiden Parteien war zerbrochen.

Aus Sicht der LN beginnt jetzt ein Festmahl für die Demokratie. Denn wie titelte der ebenfalls für Politik zuständige Redakteur der LN, Kai Dordowsky, am 25.2.2023, S.9:

„,.. Die GroKo aus SPD und CDU, die Mehltau über die Kommunalpolitik gelegt hatte, ist zerbrochen. Endlich wird in der Bürgerschatt wieder leidenschaftlich über Inhalte gestritten, ohne dass der Ausgang der Debatte von vorneherein feststeht. Politiker und Burger wehren sich erfolgreich gegen eine Verwaltung, die sich zu lange ihrer Sache zu gewiss war, die die kritischen Hinweise zu lange ignoriert hat und die grandios unterschätzt hat, wie wichtig Bürgern ihre Stadt ist.“

Jubel, Jubel aller Orten? Mumpitz. Denn die angeblich neu erwachte Leidenschaft in der Bürgerschaft brachte Beschlüsse zum Bau des Literaturmuseums (BBH) und zum Heiligengeisthospital (HGH) zustande, die sich als reine Luftnummern erwiesen. Für die Koalition der Stadtzerstörer:innen stand von vorneherein fest, dass die Beschlüsse – nach Aussage der Verwaltung – nicht durchführbar sind. Das alles ist in den allseits bekannten Verwaltungsunterlagen nachzulesen. Was folgt daraus?

  1. Kommunale rechtsstaatliche Demokratie ist nicht das, was eine Monopolzeitung zur Hebung ihrer Auflage oder ihrer finanziellen und sonstigen (politischen)
    Eigeninteressen gut heißt.
  2. Kommunale Verwaltung ist gebunden an Beschlüsse des Stadtrates, der sie beauftragt und kontrolliert. Sie ist sich auch nicht – anders als das die LN schreiben – „zu lange ihrer Sache zu gewiss“ gewesen. Denn die Gewissheit des Handelns einer Stadtverwaltung beruht ausschließlich auf Bürgerschafts-beschlüssen und sonst auf nichts.
  3. Bürgerschaftsbeschlüsse beruhen wiederum auf der Mehrheit der Mitglieder des Rates. Ändert sich die parteipolitische Mehrheit – wie nach der Bausenatorinnen Wahl – von SPD/ CDU zu CDU/Grüne/Sonstige, so werden die alten Beschlüsse nicht obsolet oder falsch.
  4. Der Wechsel der Mehrheit von SPD/CDU zu Grüne/CDU/Sonstige hat allerdings seinen politischen Preis. Das hat nichts mit Basis-Demokratie zu tun – wie uns Herr Dordowsky weiß machen will. Denn die Bürger:innen der Stadt hatten vor dem Mehrheitswechsel keine Wahl. Sie wurden auch zu den beiden Projekten
    HGH und BBH nicht extra befragt.
  5. Mit dem Mehrheitswechsel ist auch kein Signal dafür verbunden, dass sich
    „Bürger“ erfolgreich gegen die Verwaltung durchsetzen. Denn „Bürger“ sind an der politischen Wende der CDU, wie gesagt, nicht beteiligt.
  6. Die „kritischen Hinweise“, der Grünen und ihrer Klientel kommen ebenfalls nicht von anonymen Bürgern. Sie waren vielmehr von Anfang an bekannt und sind in den Beschlussvorlagen abgearbeitet.

Was heißt das jetzt für Lübeck? Die mit Hilfe der hiesigen Monopolzeitung aufgebaute Scheinwelt folgt den Szenarien des Lügenwandlers, wie er in den USA unter Donald Trump erfunden worden ist. Mit dem demokratischen Rechtsstaat hat das alles nichts zu tun. Die Symptome der Lübecker Politik: der neue Lübecker Graben, deuten vielmehr als Ursache auf den Versuch, den Lügenwandler auch in der Lübecker Lokalpolitik einzuführen.

Lügenwandler