
Kategorie: Allgemein/Politik/Geschichte

Umair Haque, Medium, März 2023
The Fight for Justice Never Matters More Than When Fascists Are Trying to Pervert the Very Idea of It
Vielleicht kann er seinen eigenen Mein Kampf schreiben, während er im Gefängnis sitzt. Das war ja anscheinend seine Bettlektüre. Es wurde bereits viel Tinte über die Anklage gegen Donald Trump vergossen, und es wird sicherlich noch viel mehr dazu kommen. Lassen Sie mich ein paar Gedanken dazu äußern. Ist das von Bedeutung? Natürlich tut sie das. Dies ist ein historischer Moment für Amerika und für die Welt. Die erste Anklageerhebung gegen einen amerikanischen Präsidenten?
Ich möchte Ihnen eine Reihe von durchdachten, überlegten Kommentaren geben, die Sie hoffentlich nicht von Experten hören werden. Das haben Sie verdient, und das können Sie selbst beurteilen.
Worum geht es in diesem Fall wirklich? Um viel mehr, vermute ich, als viele denken, selbst jetzt. Die Art und Weise, wie der Fall bisher dargestellt wurde – sogar auf der nachdenklichen Seite – ist der alte Satz über eine Nation von Gesetzen gegen eine Nation von Menschen… Menschen.
Das ist wahr, aber auf eine viel subtilere Weise, als es hier dargestellt wird. Wie können Nationen scheitern? Wie ist Amerika hierher gekommen? Was passiert wirklich mit Amerika – in diesem Moment? Die eine Seite – im Grunde die Faschisten – missbrauchen ihren Weg zur Macht. Sie betrügen, sie hintergehen, sie erzählen große Lügen – „die Wahl wurde gestohlen! Schwule sind Bräutigame!! Der 6. Januar war ein friedlicher Protest!“ Und so geht es weiter.
Und dann passiert etwas Entscheidendes. Wenn sie an der Macht sind, fangen sie an, das Gesetz neu zu schreiben. Und das tun sie auf immer schlimmere, dunklere und gefährlichere Weise. Nehmen wir das mittlerweile kanonische Beispiel, Ron DeSantis‘ Florida. Das Gesetz wird als Waffe gegen… jeden eingesetzt. Kinder, Lehrer, Eltern. Bücher werden verboten, Unterricht fällt aus, Wörter werden verboten. Meldestellen werden eingerichtet, um über Familien zu „berichten“. Nehmen wir an, der Oberste Gerichtshof nimmt plötzlich mehr als der Hälfte der Gesellschaft die Grundfreiheiten… den Frauen.
Wir denken, dass „Rechtsstaatlichkeit“ etwas Statisches ist. Das ist sie aber nicht. Die Rechtsstaatlichkeit ist dynamisch, sie verändert sich ständig, sie ist immer im Fluss. Und der Faschismus pervertiert sie. Er schreibt die Rechtsstaatlichkeit um. Er macht ihn zu einer Waffe. Und zwar auf eine ganz bestimmte Weise.
Wozu ist der Rechtsstaat in einer Demokratie da? Er ist dazu da, demokratische Werte zu institutionalisieren – bestimmte Werte, die des Friedens, der Wahrheit, der Gleichheit, der Freiheit, der Gerechtigkeit. Er ist dazu da, damit wir sie alle umsetzen können. Sie zu leben, ohne Angst, jeden einzelnen Tag. Und wenn wir ihre Gegensätze – Hass, Gewalt, Lüge, Betrug, Gewalt und so weiter – zumindest in unterschiedlichem Maße ausleben, brechen wir das Gesetz. Und wir sind zu bestrafen.
Wozu schreibt der Faschismus den Rechtsstaat um? Um antidemokratische Werte zu institutionalisieren. Nicht Frieden, Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit und so weiter – sondern ihre polaren Gegensätze. Lügen, Hass, Gewalt und so weiter. Jetzt sind diese Werte institutionalisiert. Sie werden verordnet und durchgesetzt. Die Gestapo- gibt Tipps, um über Lehrer, Familien und Schüler zu berichten. Die SS, freiwillige Paramilitärs von wahren Gläubigen – Bürgerwehren, wie sie in Texas und Florida vorgeschlagen wurden. Buchverbote, Wortverbote, Umschreibung der Geschichte, Kriminalisierung ganzer Personengruppen.
Das Gesetz ist keine statische Sache. Und was derzeit in Amerika geschieht, ist eine akute Phase des Faschismus. Die Fanatiker und Verrückten brechen nicht nur das Gesetz. Sie sind weit, weit über diesen Punkt des faschistischen Zusammenbruchs hinaus. Sie sind an der Macht, und sie schreiben es aktiv um.
Sie schreiben es um, um antidemokratische Werte zu institutionalisieren, um ganze Staaten zu Orten zu machen, die mehr an Sowjetrussland erinnern als an eine moderne Demokratie. So kann man nicht existieren, Kind, du kannst dieses Wort nicht sagen, Lehrer, Geschichte gibt es nicht, Familie, so kannst du nicht lieben.
Die Phasen des Faschismus: Erstens: Die Faschisten missbrauchen ihren Weg zur Macht. Zweitens: Sie erlangen die Macht. Drittens: Sie schreiben die Rechtsstaatlichkeit um. Viertens: Die Demokratie ist kaputt, für Generationen. Fünftens, sie entfesseln die Säuberung, nach der sie sich sehnen, an all ihren Feinden, den verhassten Untermenschen, den Liberalen, den LGBTO, Intellektuellen, Juden, Minderheiten, allen anderen. Amerika befindet sich in Phase drei.
Die Faschisten sind an der Macht und schreiben den Rechtsstaat um, bauen Schatteninstitutionen auf, wie kleine Gestapos und aufstrebende SS, deren einziger Zweck es ist, „das Gesetz“ zu etwas zu machen, das Hass, Bosheit, Intoleranz, Wut, Bigotterie, Ungerechtigkeit, Lügen und Gewalt durchsetzt – nicht Frieden, Wahrheit, Gerechtigkeit und Freiheit. Das ist ein schlechter Ort.
Dieser Kontext muss vollständig und klar verstanden werden. Das Gesetz ist keine statische Sache. Der ganze Sinn des Faschismus besteht darin, es zu ändern. Denken Sie daran, wie die Nazis gearbeitet haben. Mit den Nürnberger Gesetzen wurden die Juden enteignet und ausgegrenzt. Auf legale Weise. Und jetzt denken Sie an DeSantis‘ Florida. Sein ganzer Modus Operandi besteht darin, das zu legalisieren, was im Grunde Neofaschismus ist.
Unter dem Deckmantel der „Rechte der Eltern“ und so weiter. Aber wenn man mir Rechte wegnimmt, gibt man sie natürlich nicht an Sie weiter – Rechte sind für uns alle da. Der Faschismus funktioniert, indem er die Rechtsstaatlichkeit umschreibt, um universelle, unveräußerliche Rechte wegzunehmen – und genau da ist Amerika im Moment.
Das ist der eigentliche Grund, warum die Anklage gegen Donald Trump so wichtig ist. Es geht nicht nur um Trump oder Stormy Daniels oder seine Geschäfte oder sogar um die Konsequenzen für einen ehemaligen Präsidenten, da niemand über dem Gesetz stehen sollte, oder um irgendetwas davon, zumindest nicht nur darum. Es geht um die Frage, die durch die oben beschriebene Dynamik aufgeworfen wird.
Wie kann man den Faschismus wirklich stoppen? Wenn der Faschismus eine Art Krebsgeschwür ist, das die Demokratie von innen heraus zerfrisst, indem es die Rechtsstaatlichkeit so umschreibt, dass sie pervertiert wird, was kann man dann dagegen tun? Dann muss die Demokratie Zähne haben.Man muss verteidigen, was vom demokratischen Korpus der Rechtsstaatlichkeit übrig ist, bevor die Faschisten alles pervertieren.
Betrachten Sie es als einen Wettbewerb. Es gibt einen Korpus, einen Rechtskorpus, der vage demokratisch ist, auch wenn er, wie alle solchen Rechtskorpusse, viele Fehler hat. Die Faschisten schreiben ihn um, und zwar in immer schnellerem Tempo, nehmen ihm Rechte weg und pervertieren die gesamte Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit. Jetzt geht es darum, das zu verteidigen, was noch übrig ist, damit es nicht aufgefressen, umgedreht, bewaffnet und gegen Menschen eingesetzt wird, institutionalisiert im Namen von Hass, Lügen, Ungerechtigkeit, Gewalt, Vorherrschaft, nicht von Frieden, Wahrheit, Freiheit, Gleichheit. Jetzt ist es ein Wettlauf mit der Zeit, mit Zähnen.
Die Demokratie muss Zähne haben, wenn sie diesen Wettlauf gewinnen will. Sie muss diejenigen bestrafen, die den Rechtsstaat pervertieren, sonst… wird das Tempo, mit dem die Perversion zunimmt, das Gesetz als Waffe eingesetzt wird, um unschuldigen Menschen ihre Rechte zu nehmen… einfach immer höher. Jetzt ist es ein Wettstreit zwischen zwei Formen der Rechtsstaatlichkeit: der demokratischen und der faschistischen.
Um diesen Wettstreit zu gewinnen, muss die Demokratie ihre Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit selbst zurückerobern. Sie muss nicht nur sagen, dass es wichtig ist, das Gesetz zu befolgen, sondern auch, dass diese Form des Gesetzes wichtig ist. Die demokratische, in der Gesetze dazu da sind, demokratische Werte zu institutionalisieren, und nicht etwa Lehrer zu Verbrechern zu machen, weil sie Geschichtsunterricht halten, oder gegen Familien zu ermitteln, weil sie wissen, wer ihre Kinder sind, und wir alle wissen, wohin das führt.
Ergibt das alles ein bisschen Sinn? Dies ist ein Wettbewerb, der nicht zwischen Trump und Bragg ausgetragen wird. Es geht nicht wirklich um Betrugsvorwürfe oder Schweigegeld. Es geht um einen Wettbewerb in Amerika, bei dem es darum geht, welche Art von Rechtsstaatlichkeit zählt. Die von Trump oder die von DeSantis? Das faschistische Ideal, bei dem die Rechtsstaatlichkeit selbst zu einer gekaperten Institution geworden ist, die Menschen für demokratische Werte wie Frieden, Freiheit, Wahrheit und Gleichheit bestraft? Durchschnittliche Menschen, wie Lehrer, Kinder, Familien, unschuldige, normale, friedliche Menschen? Oder die demokratische Rechtsstaatlichkeit, in der nichts davon in Ordnung ist?
Hier geht es um einen Wettstreit zwischen faschistischer und demokratischer Rechtsstaatlichkeit. Ist das Gesetz dazu da, den Menschen demokratische Grundrechte zu geben – oder sie wegzunehmen? Das Gesetz ist nicht statisch. Die Faschisten schreiben es mit Lichtgeschwindigkeit um. Die Demokratie gewinnt nur, wenn sie ihr eigenes Ideal der Rechtsstaatlichkeit selbst verteidigt, und darum geht es in diesem Fall wirklich. Ich weiß, das ist subtil, und ich weiß, das ist ein bisschen kompliziert, aber ich denke, es war selten wahrer. Hier geht es nicht nur darum, ob Recht gesprochen wird oder nicht – es geht darum, was Recht ist, welche Form von Recht in einer Gesellschaft vorherrscht: die faschistische Perversion davon oder die demokratische Art.
Nun, ich weiß, dass ich versucht habe, diesen Punkt wirklich deutlich zu machen. Und zwar aus folgendem Grund. Schon jetzt kann man sehen, dass viele Medien eine stöhnende Haltung einnehmen. Sie glauben, dass dies nur die extreme Rechte provozieren wird, die verrückte Rechte, die leider die einzige Rechte ist, die wirklich übrig ist. Lassen wir dieses Ablenkungsmanöver sofort beiseite.
Wird dies die GOP eher dazu bringen, Rache zu üben und den nächsten demokratischen Präsidenten oder Machtpersonen usw. zu verfolgen? Nein, denn das werden sie ohnehin tun. Schauen Sie sich genau an, wo die GOP steht. Sie versuchen, Lehrer, Professoren und Eltern ins Gefängnis zu stecken. Normale Menschen. Sie kriminalisieren den Unterricht von Kindern über… Geschichte… schwul sein… sich selbst sein.
Sie haben es bereits auf ganz normale Menschen abgesehen, und das Wort „kriminalisieren“ ist nichtssagend, also lassen Sie es uns klar sagen: Die GOP ist bereits dabei, Institutionen zu pervertieren, um alles, vom Frau-Sein über LGBTO-Sein bis hin zum Lesen von Büchern, unter Strafe zu stellen.Die Idee, dass eine Anklage gegen Trump sie irgendwie „provozieren“ wird, um „Vergeltung zu üben“, ist so völlig realitäts- und wahrheitsfremd, dass es lächerlich ist. „Vergeltung“? Sie sind bereits diejenigen, die versuchen, die Demokratie zu zerstören.
Was tun wir nicht mit Faschisten? Regel Nummer eins. Lasst uns alle einen Moment innehalten und uns erinnern. Beschwichtigt sie nicht! Denn was passiert dann? Die Geschichte lehrt uns: Sie gehen lachend über dich hinweg und sagen, es sei deine Schuld, weil du sie wütend gemacht hast, in der klassischen „gaslighting pretzel twist“ der Logik von Missbrauchstätern. Niemand sollte auf diesen Spruch hereinfallen: „Mach sie nicht wütend! Sie werden sich nur revanchieren!“ Sie sind die Täter in dieser Situation, nicht… diejenigen von uns, die an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit glauben.
Nun. Das Grundproblem hier ist eigentlich ziemlich einfach, wie Sie vielleicht denken, und was in Amerika passiert, ist Folgendes: Einfache, grundlegende Fragen werden vernebelt, weil die Medien sie pro und contra behandeln, und die durchschnittliche Person oder genügend von ihnen werden in einem Dunst des Zweifels zurückgelassen, obwohl sie mit einem ziemlich guten Maß an moralischer und politischer Klarheit begonnen haben. Das darf hier nicht passieren. Die grundlegende Frage ist so einfach, wie Sie denken. Ist Amerika eine Nation der Gesetze – oder der Menschen, wie das alte Sprichwort sagt? Steht jemand über dem Gesetz, auch ein Ex-Präsident?
Wir kennen noch nicht das ganze Ausmaß der Anschuldigungen – immerhin 34 an der Zahl -, aber der allgemeine Tenor dürfte so aussehen, wie man ihn sich leicht vorstellen kann. Trump hat einen Pornostar bestochen – und das mag in einem normalen Kontext keine große Sache sein, aber dies war keine. Es ging darum, das Ergebnis einer Präsidentschaftswahl zu beeinflussen, und das ist in der Tat gegen das Gesetz, und zwar gegen mehrere. Hinzu kommt möglicherweise noch der Vorwurf des Betrugs. Dieser Fall stellt also eine Reihe von Dingen auf den Prüfstand, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob das Gesetz gilt oder nicht, der sich jede Demokratie stellen muss: Sind Wahlen sakrosankt?
Und wenn man mächtig genug ist, kann man sich alles erlauben, vom Geschäftsbetrug bis hin zum Betrug an der Bevölkerung bei einer fairen, transparenten Wahl? Hier gibt es eine Asymmetrie, die klar verstanden werden muss. Das ist sie nicht, und das ist ein Problem. Es gibt hier zwei Seiten, aber sie sind nicht identisch. Die eine Seite ist die des Missbrauchs, die andere Seite ist auch die des Missbrauchs. Das meine ich nicht nur im pop-psychologischen, metaphorischen Sinne, sondern auch im politischen und sozialwissenschaftlichen Sinne.
Worum geht es hier wirklich? Es geht um Machtmissbrauch. Es geht darum, ob Macht missbraucht werden kann, schamlos, sogar gewaltsam, immer und immer wieder, jahrzehntelang, in aller Öffentlichkeit, gipfelnd im Aufstieg von Trump zum Präsidenten und dann am 6. Januar – und ob es irgendeine Bestrafung für den Machtmissbrauch geben wird oder nicht. Hier geht es darum, ob die Demokratie überhaupt Zähne hat, um den Machtmissbrauch zu kontrollieren. Und in diesem Sinne ist die Anklageschrift gegen Donald Trump nicht nur „wichtig“ – es ist der folgenreichste Fall in der modernen amerikanischen Geschichte. Alles hängt von ihm ab, wirklich.
Lassen Sie mich noch einmal auf den Punkt der Asymmetrie zurückkommen. Wenn die Experten dieses Thema auf beiden Seiten diskutieren, geht das so: „Die GOP sagt, es sei ein Machtmissbrauch! Sie versuchen, Donald Trump politisch zu vereinnahmen! Und die andere Seite sagt, es sei nur die Einhaltung der Regeln! Tja, zwei Seiten, man kann hier nicht sagen, welche richtig ist!“ Das ist so albern und dumm, wie es klingt, wenn man auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt. Die eine Seite versucht, mit Hilfe der Rechtsstaatlichkeit den Machtmissbrauch einzudämmen.
Die andere Seite behauptet, das sei ein Machtmissbrauch. Aber diese beiden Dinge sind nicht im Entferntesten gleichwertig. Sie sind nicht „dasselbe“. Vielmehr sind sie genau das Gegenteil. All dies in einen Topf zu werfen, bedeutet… überhaupt nicht zu denken. Aber das ist der Punkt, an dem sich zu viele Medien mit diesem Thema befassen, und so hat sich bereits ein Schleier, eine Wolke der Unklarheit über die Angelegenheit gelegt. Lassen Sie es mich also noch einmal sagen. Die eine Seite versucht, mit rechtsstaatlichen Mitteln den Machtmissbrauch einzudämmen. Die andere Seite behauptet, das sei ein Machtmissbrauch. Diese beiden Dinge sind nicht dasselbe.
Wo ist der wirkliche Machtmissbrauch? Nun, er ist ziemlich offensichtlich für die ganze Welt. Trumps gesamte Zeit der Präsidentschaft war von serienweisem Machtmissbrauch geprägt. Von „Familientrennungen“ über ethnische Verbote bis hin zu Schlägereien auf den Straßen… 6. Januar. Missbrauch nach Missbrauch nach Missbrauch. Darum geht es hier natürlich nicht, aber auch hier ist der Kontext wichtig, denn es geht nicht um den Fall, sondern um das politische Verständnis und die Interpretation und Darstellung des Falls. Die Kontrolle des Machtmissbrauchs ist nicht dasselbe wie der Missbrauch der Macht.
Und in diesem Fall ist es ungefähr so schwer zu erkennen, wer der wirkliche Täter ist…LOL…wie die Auswahl von Harvey Weinstein aus einer Reihe von Schlümpfen herauszusuchen. Nun. Dieses Muster kennzeichnet oft scheiternde Staaten. Und in gewisser Weise ist es richtig, wenn man sagt, dass diese Anklage eine neue Phase in der amerikanischen Geschichte einläutet. Lassen Sie mich das Muster skizzieren – noch einmal, ganz einfach. Eine Partei stellt einen Staatschef ins Amt. Bei der nächsten Wahl gewinnt die andere Partei, und sie versucht, den letzten Staatschef ins Gefängnis zu bringen. Spülen und wiederholen. Und so geht es weiter.
Leider wird dies in Amerika, den reicheren Nationen, oft als „Instabilität“ interpretiert. Aber selbst in diesem Muster gibt es eine zugrunde liegende Vernunft und Ordnung. Eine Partei versucht oft, die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und aufrechtzuerhalten. Sie wird gewählt und versucht, den letzten Staatschef ins Gefängnis zu bringen, weil er Menschen auf der Straße verprügeln ließ, heimlich Polizeiarbeit leistete, seine Feinde ermordete und so weiter. Die Bösen gewinnen wieder, die nächste Wahl – und sie versuchen, den letzten Staatschef aus Rache ins Gefängnis zu bringen, um ihn zu bestrafen, um ihm eine Lektion zu erteilen. Was ist diese Lektion? Haltet die Rechtsstaatlichkeit nicht aufrecht.
Wie erteilen sie diese Lektion? Indem sie die Rechtsstaatlichkeit pervertieren. Indem sie sie missbrauchen.
Also noch einmal: Selbst in den gescheiterten Staaten, in denen dieses oszillierende Muster des „Ich-gehe-zur-Sendung-deines-Typs-ins-Gefängnis“ greift – nennen wir es Tit-for-Tat – ist es nicht „dasselbe“, wenn „beide Seiten“ es tun. Selbst dort – vor allem dort – versucht die eine Seite, die Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten, und die andere Seite benutzt sie als Waffe, pervertiert sie, missbraucht sie.
Ergibt das einen Sinn? Lassen Sie mich die Beispiele etwas konkreter machen. In einem Land, das mir einfällt, wurde ein Staatschef von der nachfolgenden Regierung angeklagt, weil er… seine politischen Gegner erhängt hatte. Die Regierung, die versucht hat, ihn zur Rechenschaft zu ziehen – und das auch getan hat – wurde dann von der nächsten Regierung verfolgt, die wiederum die Bösen waren, mit meist fiktiven, unsinnigen, von Trump erfundenen Anschuldigungen (haha). Aber selbst ein Kind sollte in der Lage sein zu erkennen, dass es hier zwar Wellen der Strafverfolgung gab, diese aber unterschiedlich waren: einige waren legitim, dienten der Aufrechterhaltung des Gesetzes, der Demokratie, der Wahrheit, der Freiheit, der Gerechtigkeit und andere waren Machtmissbrauch. Sie zielten darauf ab, all diese demokratischen Werte einzuschüchtern, zu unterdrücken und zu pervertieren.
Dies ist ein klassisches Muster, eines der Lehrbuchmuster für scheiternde Staaten- Verfolgung von Staatsoberhäuptern nach dem Tit-for-Tat-Prinzip. Fällt Amerika in dieses Muster? Ja. Lassen Sie uns in diesem Punkt nicht zimperlich sein. Aber „Tit-for-tat“ bedeutet in diesem Fall nicht, dass „beide Seiten sich gegenseitig strafrechtlich verfolgen“ das Gleiche ist. Vielmehr bedeutet es das, was ich oben erörtert habe – eine Seite nutzt das Gesetz, um die Demokratie und ihre Werte wie Wahrheit, Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit aufrechtzuerhalten, und die andere Seite missbraucht das Gesetz, um eben diese Werte anzugreifen.
Ich möchte wirklich, wirklich, wirklich, dass dieser Punkt klar ist, denn im Moment ist er es nicht. Die beidseitige Anklage gegen Trump ist bereits das Thema eines Großteils der Berichterstattung. Aber denken Sie an Trumps eigenes Leben. Er ist ein Meister im… Missbrauch des Gesetzes. Er ist bekannt für eine Flut von Klagen, die den anderen zum Schweigen bringen, einschüchtern und ei nschüchtern sollen. Auch das Gesetz kann missbraucht werden – und Trump ist gerade deshalb an die Macht gekommen, weil er wusste, wie man das macht, und weil er dazu beigetragen hat, dass seine Leute das auch lernen. Aber jemanden zu bestrafen, weil er das Gesetz bricht, ist nicht dasselbe wie es zu missbrauchen.
Und das ist es, worum es hier wirklich geht. Es ist so einfach, und doch versagen die amerikanischen Medien bei der Aufgabe, den Menschen diesen rudimentären Punkt zu erklären, auf abgrundtiefe Weise. Also lassen Sie es mich noch einmal sagen. Jemanden zu bestrafen, der gegen das Gesetz verstößt, ist nicht dasselbe wie Machtmissbrauch. Machtmissbrauch hingegen ist oft eine Form des Rechtsbruchs – zumindest solange, bis man damit nicht mehr durchkommt. Und genau darum geht es in diesem Fall. Die beiden hier behandelten Seiten sind nicht im Entferntesten „gleich“.
Die eine Seite missbraucht das Gesetz – von der Kriminalisierung von Lehrern und Kindern und dem Schwulsein bis hin zur wiederholten Einmischung in Wahlen. Sie tut dies, um zu versuchen, die demokratischen Werte, Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrheit und Gleichheit auszuhöhlen- bis hin zur Anwendung von Gewalt. Denken Sie an die in Texas vorgeschlagene Bürgerwehr oder an die Hinweise auf Frauen, Lehrer, Kinder und Familien… denken Sie an den 6. Januar. Die andere Seite nutzt das, was vom Gesetz übrig geblieben ist, um zu versuchen, diese Missbräuche einzudämmen und die grundlegenden demokratischen Werte zu verteidigen. Das ist nicht dasselbe.
Ich weiß, dass ich das oft betont habe, aber es geht hier um viel, und die Berichterstattung sollte, um Himmels willen, besser sein. Wie kann man eine GOP, die jeden unter der Sonne angreift, bis hin zu Kindern und Lehrern, die verteidigen, dass sie von AR-15s (leichtes halbautomatisches Gewehr, MB) niedergemäht werden … die eindeutig die Rechtsstaatlichkeit verhöhnen, sie pervertieren, sie umkrempeln … im Gestapo-Stil … und die andere Seite, die versucht, das, was vom Gesetz übrig ist, um der Demokratie willen aufrechtzuerhalten?
Ist die Anklage gegen Donald Trump von Bedeutung? Meine Freunde, nur wenige Dinge in der amerikanischen Geschichte waren von größerer Bedeutung. Machen Sie keinen Fehler, die amerikanische Demokratie wird immer noch angegriffen – diesmal von unten, nicht nur von oben. Die Rechtsstaatlichkeit selbst wird pervertiert, genau wie es die Nazis taten, in Anlehnung an den Lehrbuchfaschismus. In diesem Zusammenhang ist der Kampf um Gerechtigkeit tödlich real, und es geht nicht nur darum, ob er geführt wird oder nicht – sondern in welcher Form, Art, Idee, Vorstellung er in einer Gesellschaft zum Tragen kommt.
Umair Haque, März 2023, Medium
DAVID BROOKS
The Cold War With China Is Changing Everything
NYT, March 23, 2023
Wir befinden uns also in einem neuen Kalten Krieg. Führende Politiker beider Parteien sind zu China-Falken geworden. Es gibt Gerüchte über einen Krieg um Taiwan. Xi Jinping schwört, das Jahrhundert zu beherrschen.
Ich kann nicht umhin, mich zu fragen: Wie wird dieser kalte Krieg aussehen? Wird er die amerikanische Gesellschaft so verändern, wie es der letzte tat?
Das erste, was mir an diesem Kalten Krieg auffällt, ist, dass das Wettrüsten und der wirtschaftliche Wettlauf miteinander verschmolzen sind. Ein Hauptaugenmerk des Konflikts lag bisher auf Mikrochips, den kleinen Dingern, die nicht nur Autos und Telefone zum Laufen bringen, sondern auch Raketen steuern und für die Ausbildung künstlicher Intelligenzsysteme notwendig sind. Wer die Chipherstellung beherrscht, beherrscht sowohl den Markt als auch das Schlachtfeld.
Zweitens sind die geopolitischen Verhältnisse anders. Wie Chris Miller in seinem Buch „Chip War“ feststellt, wird der Mikrochipsektor von einigen wenigen sehr erfolgreichen Unternehmen beherrscht. Mehr als 90 Prozent der modernsten Chips werden von einem Unternehmen in Taiwan hergestellt. Ein niederländisches Unternehmen stellt alle Lithographie-Maschinen her, die für die Herstellung modernster Chips benötigt werden. Zwei Unternehmen aus Santa Clara, Kalifornien, haben ein Monopol auf die Entwicklung von Grafikprozessoren, die für die Ausführung von KI-Anwendungen in Rechenzentren entscheidend sind.
Diese Engpässe stellen für China eine untragbare Situation dar. Wenn der Westen China den Zugang zu Spitzentechnologie versperren kann, dann kann er auch China versperren. Chinas Absicht ist es also, sich der Selbstversorgung mit Chips zu nähern. Amerika hat die Absicht, noch autarker als bisher zu werden und eine globale Chip-Allianz zu schaffen, die China ausschließt.
Die amerikanische Außenpolitik wurde in diesem Sinne rasch umgestaltet. In den letzten beiden Regierungen haben die Vereinigten Staaten aggressiv versucht, China daran zu hindern, sich die Softwaretechnologie und die Ausrüstung zu beschaffen, die es für die Herstellung der modernsten Chips benötigt. Die Regierung Biden sperrt nicht nur chinesische Militärunternehmen aus, sondern alle chinesischen Unternehmen. Dies scheint eine vernünftige Schutzmaßnahme zu sein, aber anders ausgedrückt, ist sie ziemlich dramatisch: Die offizielle US-Politik besteht darin, ein Land mit fast anderthalb Milliarden Menschen noch ärmer zu machen.
Noch mehr erstaunt mich, wie der neue Kalte Krieg die Innenpolitik umgestaltet. Es hat schon immer Amerikaner gegeben, die sich für die Industriepolitik eingesetzt haben, und zwar schon seit Alexander Hamiltons Bericht über die Manufakturen im Jahr 1791, der die Regierung zur Stärkung der privaten Wirtschaftssektoren einsetzte. Aber dieser Regierungsansatz war in der Regel nur ein Randthema.
Jetzt steht er im Zentrum der amerikanischen Politik, sowohl was die grüne Technologie als auch die Chips betrifft. Letztes Jahr verabschiedete der Kongress das CHIPs-Gesetz, das 52 Milliarden Dollar an Zuschüssen, Steuergutschriften und anderen Subventionen zur Förderung der amerikanischen Chipherstellung vorsieht. Das ist eine Industriepolitik, die Hamilton zum Staunen und Applaudieren bringen würde.
In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird China immense Summen in seine eigenen industriepolitischen Programme für eine ganze Reihe von Spitzentechnologien investieren. Ein Analyst des Center for Strategic and International Studies schätzt, dass China bereits jetzt mehr als 12 Mal so viel seines Bruttoinlandsprodukts für Industrieprogramme ausgibt wie die Vereinigten Staaten.
In den kommenden Jahren werden die führenden Politiker der USA herausfinden müssen, wie effektiv diese Ausgaben sind und wie sie darauf reagieren können. Mehr noch als der letzte Kalte Krieg wird dieser von technologischen Eliten geführt werden. Beide Seiten werden wahrscheinlich viel Geld für ihre am besten ausgebildeten Bürger ausgeben – eine gefährliche Situation in einem Zeitalter der populistischen Ressentiments.
Schon jetzt lassen sich neue politische Gräben erkennen. In der Mitte befinden sich die Neo-Hamiltonianer, die das CHIP-Gesetz unterstützt haben – einschließlich der Biden-Regierung und der 17 nicht-trumpy Republikaner, die im Senat mit den Demokraten für das Gesetz gestimmt haben.
Auf der Rechten gibt es bereits eine Reihe von Populisten, die in militärischen Angelegenheiten eine super-hawkische Haltung gegenüber China einnehmen, aber nicht an Industriepolitik glauben. Warum sollten wir all das Geld für Eliten ausgeben? Wie kommen Sie darauf, dass die Regierung klüger ist als der Markt?
Auf der Linken gibt es diejenigen, die die Industriepolitik für progressive Ziele nutzen wollen. Die Regierung Biden hat eine unglaubliche Anzahl von Vorschriften für Unternehmen erlassen, die durch das CHIPs-Gesetz unterstützt werden. Diese Diktate würden die Unternehmen dazu zwingen, sich so zu verhalten, dass sie einer Reihe fremder progressiver Prioritäten dienen – Kinderbetreuungspolitik, verstärkte gewerkschaftliche Organisierung, Umweltziele, Rassengerechtigkeit usw. Anstatt ein Programm zu sein, das sich auf die Förderung von Chips konzentriert, versucht es, alles auf einmal zu sein.
Man würde hoffen, dass unsere Politik mit der Verschärfung der Atmosphäre des Kalten Krieges ernster wird. Als die Amerikaner während des letzten Kalten Krieges zur Wahl gingen, wurde ihnen klar, dass ihre Stimme über Leben und Tod entscheiden kann. So könnte es sich wieder anfühlen.
Das Regieren in dieser Ära wird ein außerordentliches Maß an erfahrener Staatskunst erfordern – die Durchführung von Industrieprogrammen, die sich nicht aufblähen, die teilweise Deglobalisierung der Wirtschaft, ohne Handelskriege auszulösen, die ständige Überlegenheit gegenüber China, ohne es zu demütigen. Wenn China merkt, dass es jedes Jahr weiter zurückfällt, dann könnte eine Invasion Taiwans näher rücken.
Miller wurde gefragt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass in den nächsten fünf Jahren ein gefährlicher militärischer Zusammenstoß zwischen den Vereinigten Staaten und China eine Wirtschaftskrise auslösen würde, die der Großen Depression gleichkäme. Er bezifferte die Wahrscheinlichkeit auf 20 Prozent.
Das scheint hoch genug zu sein, um sich Gedanken zu machen.
USA Militärausgaben

Die LN freuen sich, dass „endlich“ etwas los ist in Lübeck. OK! Skandal, Skandal. Die LN waren immer auch ein Aktionsblatt, das – wie die Bildzeitung – nicht von der neutralen Analyse des Stadtgeschehens, sondern von der Aktion lebte, die sie selbst lostritt.
Rückblick: Am 17.7. 2021 griff die Politikredakteurin der LN, Josephine von Zastrow, in den LN (S.10) das Thema Kommunalverfassungsreform auf und erzählte das Märchen von einer Reform der Kommunalverfassung, die die kommunale Demokratie auf den Kopf stelle.
Der Artikel stänkerte gegen eine allmächtige Verwaltung, die die Aufträge der Bürgerschaft missachte und damit der Demokratie schade. Das war kein Zufall und nicht dem 25jährigen Jubiläum der Kommunalverfassung vom 19.3.1997 geschuldet, sondern ein Angriff auf Bürgermeister Jan Lindenau.
Denn anders als dessen Vorgänger straffte der am 1.Mai 2018 angetretene Bürgermeister die Lübecker Verwaltung, machte sie handlungsfähiger und verstand sich – anders als seine damalige Kontrahentin und von den LN im Wahlkampf deutlich bevorzugte Senatorin Kathrin Weiher – schon in seinem knapp erfolgreichen Wahlkampf -auf Internet basierte Kommunikationsmittel. Er bediente die „sozialen Medien“, und wurde dadurch in gewissem Maß unabhängig von dem Lübecker Monopolblatt.
Ein Jahr nach diesem Artikel vom 17.7.2021, am 29. Oktober 2022, S.12, brachte die unermüdliche Kämpferin gegen die sinkende Auflage der LN dann erneut ihre Sturmgeschütze in Stellung. Sie degradierte in einem Artikel erst den Lübecker Bürgermeister zum Senator. Dann hob sie die Senator:innen zu Senator:innen nach altem Recht an.
Diese sollten endlich die von der Lokalredakteurin neu erdachte alte Rolle, als mit dem Bürgermeister gleichberechtigte Senator:innen im (abgeschafften) Senat wahrnehmen. Denn sie seien dem Bürgermeister nicht untergeordnet, sondern ihm gleichgestellt und alleine für ihr Dezernat zuständig. Der Bürgermeister sei – wie das bis 1997 geltendes Recht war – nur „primus inter pares“.
Diese falsche Darstellung des geltenden Kommunalrechts musste die LN zwar offiziell widerrufen. Die Politik-Redakteurin ließ aber nicht locker. Sie erkor nun Jörg Sellerbeck zu ihrem Zielobjekt, da dieser sich immer schon gegen die herrschende Baupolitik gewandt hatte und von dem man sich als zukünftigem Bausenator versprach, auch gegen den Bürgermeister die Puppen zum Tanzen zu bringen.
Der Zeitpunkt schien günstig. Die Bausenator:innen-Wahl stand an und der Lübecker und CDU-Mann war zu dieser Führungsrolle bereit. Allerdings lief die Wahlvorbereitung durch seine Partei derart dilettantisch, dass auch seine Promotoren der LN eingestehen mussten: „Lübecks Senatorenwahl – eine Farce“ (LN 17.12.2022, S.9). Und so kam es dann auch.
Entgegen des Zugriffsrechts der CDU, das die Voten der SPD für den CDU-Kandidaten vertraglich zusicherte, gewann die bisherige Bausenatorin, Joanna Hagen, am 26.1.2023 die Wahl. Damit war die sogenannte GroKo aus SPD und CDU zu Ende. Der Krug der beiden Parteien war zerbrochen.
Aus Sicht der LN beginnt jetzt ein Festmahl für die Demokratie. Denn wie titelte der ebenfalls für Politik zuständige Redakteur der LN, Kai Dordowsky, am 25.2.2023, S.9:
„,.. Die GroKo aus SPD und CDU, die Mehltau über die Kommunalpolitik gelegt hatte, ist zerbrochen. Endlich wird in der Bürgerschatt wieder leidenschaftlich über Inhalte gestritten, ohne dass der Ausgang der Debatte von vorneherein feststeht. Politiker und Burger wehren sich erfolgreich gegen eine Verwaltung, die sich zu lange ihrer Sache zu gewiss war, die die kritischen Hinweise zu lange ignoriert hat und die grandios unterschätzt hat, wie wichtig Bürgern ihre Stadt ist.“
Jubel, Jubel aller Orten? Mumpitz. Denn die angeblich neu erwachte Leidenschaft in der Bürgerschaft brachte Beschlüsse zum Bau des Literaturmuseums (BBH) und zum Heiligengeisthospital (HGH) zustande, die sich als reine Luftnummern erwiesen. Für die Koalition der Stadtzerstörer:innen stand von vorneherein fest, dass die Beschlüsse – nach Aussage der Verwaltung – nicht durchführbar sind. Das alles ist in den allseits bekannten Verwaltungsunterlagen nachzulesen. Was folgt daraus?
- Kommunale rechtsstaatliche Demokratie ist nicht das, was eine Monopolzeitung zur Hebung ihrer Auflage oder ihrer finanziellen und sonstigen (politischen)
Eigeninteressen gut heißt. - Kommunale Verwaltung ist gebunden an Beschlüsse des Stadtrates, der sie beauftragt und kontrolliert. Sie ist sich auch nicht – anders als das die LN schreiben – „zu lange ihrer Sache zu gewiss“ gewesen. Denn die Gewissheit des Handelns einer Stadtverwaltung beruht ausschließlich auf Bürgerschafts-beschlüssen und sonst auf nichts.
- Bürgerschaftsbeschlüsse beruhen wiederum auf der Mehrheit der Mitglieder des Rates. Ändert sich die parteipolitische Mehrheit – wie nach der Bausenatorinnen Wahl – von SPD/ CDU zu CDU/Grüne/Sonstige, so werden die alten Beschlüsse nicht obsolet oder falsch.
- Der Wechsel der Mehrheit von SPD/CDU zu Grüne/CDU/Sonstige hat allerdings seinen politischen Preis. Das hat nichts mit Basis-Demokratie zu tun – wie uns Herr Dordowsky weiß machen will. Denn die Bürger:innen der Stadt hatten vor dem Mehrheitswechsel keine Wahl. Sie wurden auch zu den beiden Projekten
HGH und BBH nicht extra befragt. - Mit dem Mehrheitswechsel ist auch kein Signal dafür verbunden, dass sich
„Bürger“ erfolgreich gegen die Verwaltung durchsetzen. Denn „Bürger“ sind an der politischen Wende der CDU, wie gesagt, nicht beteiligt. - Die „kritischen Hinweise“, der Grünen und ihrer Klientel kommen ebenfalls nicht von anonymen Bürgern. Sie waren vielmehr von Anfang an bekannt und sind in den Beschlussvorlagen abgearbeitet.
Was heißt das jetzt für Lübeck? Die mit Hilfe der hiesigen Monopolzeitung aufgebaute Scheinwelt folgt den Szenarien des Lügenwandlers, wie er in den USA unter Donald Trump erfunden worden ist. Mit dem demokratischen Rechtsstaat hat das alles nichts zu tun. Die Symptome der Lübecker Politik: der neue Lübecker Graben, deuten vielmehr als Ursache auf den Versuch, den Lügenwandler auch in der Lübecker Lokalpolitik einzuführen.



Letzte Warnung – Die Grenzen des Wachstums (Dennis Meadows, Club of Rome)





Finanzierung der Carbonindustrie verhindern
2.Armuts-/Reichtumsverteilung


3. Verteilung der Ressourcen: Lebensmittel, Bodenschätze, Industrie, Intelligenz
Um die anstehenden Fragen u.a. der weltweiten Neu-Verteilung der Ressourcen in der Klimaveränderung zu lösen, bedarf es eines Formats.

4. Militärisch-industrieller-Komplex

USA Militärausgaben – Vergleich 2020
5. Die UN stärken als das einzige vorhandene Format der weltweiten Katastrophenvorsorge
Letzten Endes wird es – ohne Gegenwehr – zum Äußersten kommen. Ein Fall, den Norbert Elias 1985 vorwegnimmt:
„Ich habe schon gesagt, daß ich keinen Fall kenne, in dem die Konstellation der zwei oder drei stärksten Militärmächte an der Spitze einer Staatenpyramide, bei der jede der Spitzenmächte sich in ihrer Sicherheit von der anderen bedroht fühlte, nicht früher oder später zu schweren kriegerischen Auseinandersetzungen führte.
Es gehört zu den Einzigartigkeiten der gegenwärtigen Mächtekonstellation, daß ein Krieg zwischen den beiden Hegemonialstaaten bei dem gegenwärtigen Stande der Waffentechnik die weitgehende Zerstörung der beiden Hegemonialmächte und ihrer Verbündeten, möglicherweise auch eine zeitweilige oder dauernde Einschränkung der Bewohnbarkeit der Erde zur Folge hätte.
Manche Menschen sind der Ansicht, daß die Größe der Gefahr die führenden Politiker der beiden großen Militärstaaten schon von selbst zur Vernunft bringen werde. Aber ich glaube nicht, daß man sich den Ubergang von dem relativ unblutigen Positionskampf zum blutigen Kriege zwischen den beiden Staatengruppen einfach als Resultat dessen vorstellen kann, was man heute oft als »rationale Entscheidung« bezeichnet…
Im Anblick der halbzerstörten Erde, oder vielleicht auch erst in der Erinnerung an sie, wird es leichter sein, selbst die Regierungen sehr großer und volkreicher Staaten daran zu gewöhnen, Interessen- und Meinungsverschiedenheiten mit anderen Staaten, also vor allem auch zwischenstaatliche Meinungsverschiedenheiten über Sicher- heitsfragen, vor einen Gerichtshof der verbündeten Staaten der Erde zu bringen…
Man begegnet hier einem Musterbeispiel für eine immer von neuem beobachtbare Eigentümlichkeit der Menschheitsentwicklung. Die Entwicklung der Menschheit vollzieht sich weniger aufgrund von Lernprozessen, die auf Einsicht beruhen, auf vorwegnehmender Erkenntnis möglicher Folgen des gemeinsamen Handelns einer Menschengruppe;
sie vollzieht sich weit mehr aufgrund von Lernprozessen im Gefolge von Fehlentscheidungen und den bitteren Erfahrungen, die sie mit sich bringen. Es ist, wie schon erwähnt, nicht ganz unvernünftig anzunehmen, daß nach einem Kernwaffenkrieg die überlebende Menschheit, durch die bittere Erfahrung belehrt, eher geneigt sein wird, sich um die Schaffung von effektiven Institutionen zur gewaltlosen Beilegung zwischenstaatlicher Konflikte zu bemühen.
Man kann sich sehr gut vorstellen, daß nach einem Kernwaffenkrieg das Wissen, daß die Souveränität des einzelnen Staates dort ihre Grenzen hat, wo das Wohl und Wehe der Menschheit auf dem Spiele steht, nicht mehr als utopisch, sondern als höchst realistisch betrachtet werden wird.
Die Regierung eines Landes, die dann nach alter Gewohnheit den Krieg gegen ein anderes Land vorbereitet oder gar mit Waffengewalt, mit Mord und Totschlag in ein anderes Land einbricht, wird dann als eine Gruppe von Verbrechern gegen die Menschheit vor ein Weltgericht gestellt, sei es durch den Zwang weltweiter wirtschaftlicher Sanktionen oder durch den Druck der öffentlichen Meinung der Welt, sei es mit Hilfe eines gemeinsamen Expeditionskorps der verbündeten Staaten der Welt.“
(Elias, Norbert, Humana conditio, Beobachtungen zur Entwicklung der Menschheit am 40.Jahrestag des Kriegsendes, Frankfurt a.Main 1985, S.68 ff.)
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Klima, Krise, Krieg
Die neuen öko-imperialen Spannungen
Ulrich Brand und Markus Wissen
Blätter Juni 2004, S.107
„Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um die sich zuspitzenden Katastrophen durch einen konsequenten Klimaschutz und durch eine wirksame Politik der Klimaanpassung in ihren negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur zumindest zu begrenzen.
Deutschland etwa, darauf weist der Publizist Nick Reimer hin, wird voraussichtlich bereits Mitte des Jahrhunderts „mindestens zwei Grad wärmer sein als zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Sommertage mit mehr als 30 Grad werden dann völlig normal sein, die Spit-zentemperaturen 40 Grad überschreiten, die Zahl der tropischen Nachte wird sich verdoppeln.“

An Abend des 9.11.1989 war keinem von uns bewusst, dass das Ende der DDR bevorstand. Ein Ratsdiener unterbrach die SPD-Fraktionssitzung um mich herauszurufen. Der Journalist, der mich erwartete, sagte, die Grenze sei offen. Ob ich das wisse. Die ersten Trabbis würden in Schlutup erwartet.
Nein, ich wusste davon nichts. Wir hatten bei einem Empfang im Rathaus den 50ten Geburtstag mit Björn Engholm gefeiert und waren deshalb nur ganz ungern zur Fraktionssitzung in den Roten Saal herauf gekommen.
Ich fuhr mit anderen zusammen sofort an die Grenze nach Schlutup. Voll Erwartung. Dort war nichts. Absolut nichts. Es war geradezu unheimlich ruhig. Die Grenzschützer sagten, sie hätten etwas gehört, aber keine Verbindung zur anderen Seite.
Dann plötzlich kam ein Trabbi mit jungen Leuten aus Wismar oder Rostock. Sie lachten und waren ganz ausgelassen. Sie wollten nach Lübeck zum Markt. Einfach so, auf ein Bier, und dann wieder zurück.
Dann kamen die nächsten. Ich erinnere mich an eine Familie im Trabant. Der war bis oben bepackt. Sie wollten weiter. In den Westen übersiedeln. Sie hatten im Radio Günter Schabowski gehört, in Eile alles zusammen gepackt und waren aufgebrochen, aus Angst, die Grenzen könnten sich schnell wieder schließen. Die kleine Tochter weinte und fragte, was den morgen werde. Ihre Freundin komme doch immer, um sie zur Schule abzuholen. DieTränen standen uns in den Augen.
Ab dem nächsten Tag kamen Tausende. Die Trabbis stauten sich in der Travemünder Allee. Die ganze Stadt roch nach dem Zweitaktergemisch. Die Älteren unter Ihnen hier in Petri werden sich erinnern: Die Stadt war wie ausgewechselt. Wie im Ausnahmezustand.
Das Rathaus blieb über Nacht geöffnet. Wer nicht zurück konnte oder wollte, fand dort Wärme, Brötchen, Tee, Kaffee und Decken. Auf dem Markt in der Novemberkälte verabredeten sich wildfremde Menschen. In den Lübecker Stuben hörten sich Lübecker mecklenburgische Geschichten an und umgekehrt. Die Stadt summte, brummte und freute sich.
Die Erfüllung des Auftrages des Grundgesetzes rückte in greifbare Nähe. („Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“) Nach wenigen außerordentlich intensiven Monaten zerstob indes die hohe Stimmung. Die Parteien machten wieder ihren Job as usual. Die Presse spiegelte wie immer das Resultat.
Das Kapital nahm Witterung auf nach Osten. Ich erinnere mich an den Hauptgeschäftsführer unserer IHK, der mir bei einem Essen der Wirtschafsjunioren 1990 frohgemut und leicht hämisch zurief: Na, Herr Bürgermeister, Marx ist tot! Was sagen Sie dazu?
Die Grenze ist weg. Die Infrastrukturen sind erneuert. Die Einheit im Rechtssinne ist hergestellt. Was ist mit der Einigkeit? Einigkeit ist für uns Deutsche ja ein schwieriger Begriff.
Am Deutschen Eck in Koblenz steht: „Nimmer wird das Reich zerstöret/ wenn ihr einig seid und treu.“ Einigkeitsappelle dieser Art „an das Volk“ ge-richtet, verbinde ich in Deutschland nach wie vor als verdeckte Botschaften nach draußen mit den Inhalten: Gegnerschaft, Feindschaft, Krieg – 1871, 1914,1939.
Dieses historisch berechtigte Bild eines barbarischen Deutschland, in dessen Namen, immer wieder Furcht und Schrecken aus der Mitte Europas heraus verbreitet worden sind, hat sich vor 20 Jahren sang – und klanglos erledigt.
Ganz ohne Gewalt haben die Ostdeutschen ihre Aggressoren vertrieben. Einigkeit war hier für einen kurzen Moment der deutschen Geschichte nur nach innen gerichtet. Nicht von oben gefordert, sondern von unten hergestellt. In einem revolutionären friedlichen Akt ist das Honecker-Regime beseitigt worden. Einigkeit brachte die Einheit.
Wir haben die Dimension dieses ungeheuren zivilisatorischen Aktes, diese enorme kulturelle Leistung, bis heute ganz offenbar nicht begriffen. Es handelt sich ja auch um etwas radikal Neues in der Deutschen Geschichte.
Die Einigkeit, ihre Voraussetzung, ihr Bestand und ihre besondere Pflege stehen wider Erwarten nicht im Zentrum deutscher Politik. Die Einigkeit kam vielmehr – zusammen mit der Einheit- in die Hände der Parteien. Einigkeit ging dabei in der Einheit unter. Die kulturelle Dimension, das radikal Neue, blieb auf der Strecke.
Deshalb suchen wir heute vergebens das „Projekt Einigkeit“, das alle in einer gesamtdeutschen Kraftanstrengung mitgerissen hätte. Das wirkt sich wiederum auf den Europäischen Einigkeitsprozess aus. Deutschland könnte und müsste (auch von Verfassungs wegen) der Motor der Europäischen Einigkeit sein, nachdem wir endlich von der „Deutschen Frage“ befreit sind und unsere Nachbarn nunmehr erkannt haben, dass die sprichwörtliche Angst vor den Deutschen der Geschichte angehört. Dennoch tun wir uns alle schwer mit der Europäischen Einigkeit. Das liegt daran, dass die deutsche Einigkeit immer noch Vision ist. Sie ist keine Wirklichkeit. Wir sind immer noch mit uns selbst beschäftigt. Das bindet völlig unnötig politische Energien.
So misslingt auch das Projekt Europa. Europa verkommt zu einer schieren Freihandelszone. Es ist keine Rede mehr von der Rückgewinnung politischer Gestaltungskraft gegenüber der Ökonomie im weltweiten Zusammenhang. Es ist keine Rede mehr von der dringend gebotenen Konvergenz der Steuersysteme, um Mittel zurückzugewinnen für soziale und kulturelle Projekte.
Die Kraft hierfür fehlt, weil sie in de kulturellen Einigkeit wurzelt. Diese fehlt aber hier bei uns in Deutschland. Europa droht das gleiche Schicksal. Es reicht wie in Deutschland auch dort bestenfalls für die Einheit. Nicht aber für die Kraft spendende Einigkeit.
Auf wen ist also zu hoffen? Auf die Politik nicht. Auf die Medien als Ort, an dem die kulturelle Öffentlichkeit fokussiert wird und der Diskurs stattfinden könnte, ebenfalls nicht. In den Medien geht es heute nicht mehr um den Erhalt der demokratischen Öffentlichkeit, d.h. aber um den Austausch von Gründen, sondern nur noch um die Bündelung von Blicken auf Personen (Habermas).
Besteht also keine Hoffnung auf Einigkeit? Doch. Denn wir wollen nicht diejenigen vergessen, die sich in der Mitte unserer Gesellschaft, zum Teil in Kleinstprojekten, darum bemühen. Vielleicht ist Einigkeit auch nur herzustellen von Mensch zu Mensch. Lassen Sie uns damit beginnen. So wie es in Leipzig 1989 begann.

Sie wollen es nicht wissen – vom Versagen des Landes Berlin–
Berliner Verfassung reformieren – die Unregierbarkeit beenden!
Das Klagen über die Unregierbarkeit Berlins ist sattsam bekannt (vgl.NZZ -online vom 31.10.2021, https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/wieso-laeuft-doch-ld.1652124). Es wird jetzt getoppt durch das Urteil des Berliner Verfassungsgerichts. Um dem abzuhelfen, schlage ich im Folgenden vor, die heutige zweistufige Berliner Verfassung (Senatsverwaltung und Bezirksverwaltungen) durch eine einstufige Verfassung zu ersetzen.
Der Kern des in Berlin beklagten Wirrwarrs in Angelegenheiten der Verwaltung besteht nicht im fehlenden Wollen der Verwaltungsmitarbeiter:innen oder der Politik. Beim besten Willen: die Mitarbeiter:innen oder die Politiker:innen mögen wollen. Können tun sie es nicht. Es ist die offensichtliche Desorganisation und fehlende Eindeutigkeit von Strukturen und Funktionen – bis hinein in Landesverfassung, die Landesgesetze und Verordnungen. Die in Berlin Regierenden wollen es nicht wissen.
Ein vergleichender erster Blick in die beiden unterschiedlichen Verfassungstypen macht das deutlich: Grund der Fehlorganisation ist offensichtlich der Umstand, dass es in Berlin nicht gelingt oder gelungen ist, die Gemeindeverfassung mit der staatlichen Landesverfassung zu einem funktionierenden Ganzen zu verbinden. Staat und Gemeinden (Senat und die 12 Bezirke) stehen – bei allen gut gemeinten Versuchen des Ausgleichs zwischen Staat und Gemeinde – in einem nicht zu vertretenden andauernden Zuständigkeitsdialog.
Für die Bürger:innen ist diese Differenzierung (in Senats- und eigenständige Bezirksverwaltungen) weder plausibel noch erträglich. Ihre Begegnung mit der Stadt erfüllt sich beim persönlichen Anmelden, Ummelden, Passverlängern, Fahrzeug an- und abmelden, dem Bezug von Wohn- und Kindergeld, Sozialhilfe, der Aufenthaltserlaubnis, Bauantrag usw. Dabei ist es der Bürger:in gleichgültig, ob im Einzelfall Bezirk oder Senat zuständig ist. Es geht um Effizienz, Termintreue und schnelle Erledigung oder mit Freundlichkeit erteilten Rat.
Überträgt man die Einheitsverfassung auf den Verfassungs-Mix in Berlin, so ergibt sich folgende Gegenüberstellung der Verfassungstexte:
Geltende Berliner Landesverfassung Vorschlag einer Neufassung
Art. 66 VvB alt– Beteiligung der Bezirke Die Verwaltung ist bürgernah im demokratischen und sozialen Geist nach der Verfassung und den Gesetzen zu führen. (2) Die Bezirke erfüllen ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung. Sie nehmen regelmäßig die örtlichen Verwaltungsaufgaben wahr. (3) Das Nähere wird durch Gesetz geregelt. | Art. 66 VvB neu – Beteiligung der Bezirke (1) Im Stadtstaat Berlin werden staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt. (2) Durch Gesetz sind für Teilgebiete (Bezirke) Bezirksämter zu bilden, denen die selbstständige Erledigung übertragener Aufgaben obliegt. An der Aufgabenerledigung wirken die Bezirksversammlungen nach Maßgabe des Gesetzes mit. (3) Die Bezirksversammlungen werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Wahlvorschläge, nach deren Ergebnis sich die Sitzanteile in den Bezirksversammlungen bestimmen, werden nur berücksichtigt, wenn sie mindestens drei vom Hundert der insgesamt auf solche Wahlvorschläge abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben. Das Gesetz bestimmt das Nähere. |
Art. 67 VvB alt– Zuständigkeit der Hauptverwaltung Der Senat nimmt durch die Hauptverwaltung die Aufgaben von gesamtstädtischer Bedeutung wahr. Dazu gehören: die Leitungsaufgaben (Planung, Grundsatzangelegenheiten, Steuerung, Aufsicht), 2. die Polizei-, Justiz- und Steuerverwaltung, 3. einzelne andere Aufgabenbereiche, die wegen ihrer Eigenart zwingend einer Durchführung in unmittelbarer Regierungsverantwortung bedürfen. (2) Die Ausgestaltung der Aufsicht wird durch Gesetz geregelt. Es kann an Stelle der Fachaufsicht für einzelne Aufgabenbereiche der Bezirke ein Eingriffsrecht für alle Aufgabenbereiche der Bezirke für den Fall vorsehen, dass dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt werden. (3) Die Bezirke nehmen alle anderen Aufgaben der Verwaltung wahr. Der Senat kann Grundsätze und allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeit der Bezirke erlassen. Er übt auch die Aufsicht darüber aus, dass diese eingehalten werden und die Rechtmäßigkeit der Verwaltung gewahrt bleibt. (4) Die Aufgaben des Senats außerhalb der Leitungsaufgaben werden im Einzelnen durch Gesetz mit zusammenfassendem Zuständigkeitskatalog bestimmt. Im Vorgriff auf eine Katalogänderung kann der Senat durch Rechtsverordnung einzelne Aufgaben der Hauptverwaltung den Bezirken zuweisen. (5) Zur Ausübung der Schulaufsicht können Beamte in den Bezirksverwaltungen herangezogen werden. (6) Einzelne Aufgaben der Bezirke können durch einen Bezirk oder mehrere Bezirke wahrgenommen werden. Im Einvernehmen mit den Bezirken legt der Senat die örtliche Zuständigkeit durch Rechtsverordnung fest Art. 68 VvB alt – Rat der Bürgermeister Den Bezirken ist die Möglichkeit zu geben, zu den grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung Stellung zu nehmen. (2) Zu diesem Zweck finden regelmäßig mindestens einmal monatlich gemeinsame Besprechungen des Regierenden Bürgermeisters und des Bürgermeisters mit den Bezirksbürgermeistern oder den stellvertretenden Bezirksbürgermeistern als Vertretern des Bezirksamts statt (Rat der Bürgermeister). | Art. 67 VvB neu – Zuständigkeit der Hauptverwaltung Die Regierende Bürgermeisterin (Präsidentin des Senats) oder der Regierende Bürgermeister (Präsident des Senats) und die Senatorinnen und Senatoren bilden den Senat. (2) Der Senat ist die Landesregierung. Er führt und beaufsichtigt die Verwaltung. Art. 68 VvB neu = alt – Rat der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen Den Bezirken ist die Möglichkeit zu geben, zu den grundsätzlichen Fragen der Verwaltung und Gesetzgebung Stellung zu nehmen. (2) Zu diesem Zweck finden regelmäßig mindestens einmal monatlich gemeinsame Besprechungen des Regierenden Bürgermeisters, der Regierenden Bürgermeisterin und des Bürgermeisters, der Bürgermeisterin, mit den Bezirksbürgermeistern, den Bezirksbürgermeisterinnen oder den stellvertretenden Bezirksbürgermeistern, Bürgermeisterinnen als Vertretern des Bezirksamts statt (Rat der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen). |
Entscheidend ist die Abschaffung des Vorrangprinzips der gemeindlichen Selbstverwaltung der 12 Berliner Bezirke (vgl. § 4 AZG (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz). Diese überkommene, an der früheren Dorfstruktur orientierte, zweigeteilte Verfassung des Landes Berlin ist mit dem jetzigen komplexen und örtlich selten begrenzbaren, hoch vernetzten Aufgabenspektrum einer Hauptstadt nicht mehr vereinbar.
Die 12 Bezirke (Bezirksversammlungen und Bezirksämter) bleiben zwar erhalten. Der Bezirk verliert indes die Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten. Rechtstechnisch wird mit der neuen Verfassung der Bezirk von der Gemeinde zum untergeordneten Gliedstaat. Ihm werden sämtliche (also hoheitliche und gemeindliche) Aufgaben durch Landesgesetz zur selbständigen Erledigung übertragen. Für die Bürger:in ändert sich nichts. Innerhalb der Verwaltung tritt allerdings mit der Einstufigkeit in sämtlichen Entscheidungen eine eindeutige Entscheidungskette mit der Letztverantwortlichkeit des Senats.
Die Folgen einer derartigen Anpassung an eine zukunftsgerichtete einstufige Stadtorganisation, die sich nicht in Zuständigkeitsfragen erschöpft, führt aus Sicht der Bürger:in zu einem Gewinn an direkter Teilhabe und Effizienz. Für die Mitarbeiter:innen ändert sich in Stellung, Eingruppierung und Tätigkeit nichts. Die Umsetzung der Gesetze, Verordnungen und Erlasse ist mit geringem Verwaltungsaufwand – wenn man mit den gebotenen Anpassungen im Wesentlichen den Vorschriften der bewährten einstufigen Modelle folgt – auch zeitnah machbar.
Nach Art.100 VvB erfordert die Änderung der Verfassung im vorliegenden Fall eine Mehrheit von zwei Dritteln der gewählten Mitglieder des Abgeordnetenhauses.
M.B. Lübeck, 4.11.21