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Die Kraftlosigkeit der SPD – oder wie die Geschichte einer Partei verloren geht

Mich verwundert, wie kraftlos die SPD agiert – und dass in Lübeck nur 41% der Wahlberechtigten bei der Kommunalwahl 2023 überhaupt wählen gingen. Rd. 60% blieben weg. Vielleicht ist die SPD für junge Menschen zu altbacken. Sie singen zwar zum Abschluss ihrer Parteitage „Brüder zur Sonne zur Freiheit“. 

In den Regierungsprogrammen fehlt indes jeder Satz zum Vermögensausgleich von Arm und Reich. Dabei ist diese radikale Parteinahme für die Besitzlosen, der Kampf um den Vermögensausgleich, die eigentliche und ursprüngliche Antriebsfeder, die SPD zu wählen, die bei der heutzutage riesigen Vermögensspreizung wichtiger wäre als jemals. »Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich.« (Bertold Brecht). Diese aufrüttelnde Erkenntnis, die einst zu ihrer Parteigründung führte, hat eine mutlos gewordene SPD heute offensichtlich vergessen.

Dabei ist der Vermögensunterschied der 20% Vermögenden zu den 80% Besitzlosen Grund für die heutige desaströse politische Lage. Christopher Lasch, der 1994 verstorbene amerikanische Historiker und Kultursoziologe, der bei der US-amerikanischen GOP hoch im Kurs steht, hat diesen Zusammenhang von einer reichen Elite und der politischen Verantwortungslosigkeit auf den Punkt gebracht (Christopher Lasch, Die blinde Elite, Hamburg 1995).

„Laut Lasch leben die neuen Eliten, also diejenigen, die einkommensmäßig zu den oberen 20 Prozent gehören, durch die Globalisierung, die eine vollständige Mobilität des Kapitals ermöglicht, nicht mehr in der gleichen Welt wie ihre Mitbürger. Damit wenden sie sich gegen das alte Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts, das aufgrund seiner räumlichen Stabilität auf ein Minimum an Verwurzelung und bürgerlichen Verpflichtungen beschränkt war.

Die Globalisierung, so der Historiker, habe Eliten zu Touristen in ihren eigenen Ländern gemacht. Die Entnationalisierung der Gesellschaft bringt tendenziell eine Klasse hervor, die sich selbst als „Weltbürger sieht, aber ohne … irgendeine der Verpflichtungen zu akzeptieren, die die Staatsbürgerschaft normalerweise mit sich bringt“. Aufgrund ihrer Bindung an eine internationale Arbeits-, Freizeit- und Informationskultur sind viele von ihnen angesichts der Aussicht auf einen nationalen Niedergang zutiefst gleichgültig. Anstatt öffentliche Dienstleistungen und die Staatskasse zu finanzieren, investieren neue Eliten ihr Geld in die Verbesserung ihrer freiwilligen Ghettos: Privatschulen in ihren Wohnvierteln, Privatpolizei, Müllabfuhrsysteme. Sie hätten sich „aus dem gemeinsamen Leben zurückgezogen“.

Sie bestehen aus denen, die die internationalen Kapital- und Informationsströme kontrollieren, die philanthropischen Stiftungen und Hochschulen vorstehen, die Instrumente der Kulturproduktion verwalten und so die Bedingungen der öffentlichen Debatte festlegen. Daher beschränkt sich die politische Debatte hauptsächlich auf die herrschenden Klassen und politische Ideologien verlieren jeglichen Kontakt zu den Anliegen des einfachen Bürgers. Die Folge davon ist, dass niemand eine wahrscheinliche Lösung für diese Probleme hat und es zu heftigen ideologischen Auseinandersetzungen zu verwandten Themen kommt. 

Sie bleiben jedoch vor den Problemen geschützt, die die Arbeiterklasse betreffen: dem Niedergang der Industrietätigkeit, dem daraus resultierenden Verlust von Arbeitsplätzen, dem Niedergang der Mittelschicht, der Zunahme der Zahl der Armen, der steigenden Kriminalitätsrate, dem zunehmenden Drogenhandel, den städtischen Krisen.“ (Wikipedia, https://en.m.wikipedia.org/wiki/Christopher_Lasch, abgefragt 18.5.2023)

Der Vermögensausgleich der Bürger und Bürgerinnen innerhalb der Staaten, der aus Gründen der politischen Gleichberechtigung und Kompetenzgleichheit überlebenswichtig ist, muss vor oder während der Katastrophenvorsorge innerhalb der nächsten 15 Jahre, die uns noch verbleiben (Katastrophenvorsorge 1 ), vollzogen sein. Freiwillig geschieht da nichts.