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How the Corporate Takeover of American Politics Began
Die Übernahme der amerikanischen Politik durch die Unternehmen begann mit einem Mann und einem Memo, von dem Sie wahrscheinlich noch nie gehört haben.
Im Jahr 1971 bat die US-Handelskammer Lewis Powell, einen Unternehmensanwalt, der später Richter am Obersten Gerichtshof werden sollte, ein Memo über die Lage des Landes zu verfassen. Powell behauptete in seinem Memo, dass das amerikanische Wirtschaftssystem von Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltgruppen „auf breiter Front angegriffen“ werde.
In Wirklichkeit ging es diesen Gruppen um nichts anderes als um die Durchsetzung des impliziten Gesellschaftsvertrags, der am Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden war. Sie wollten sicherstellen, dass die Unternehmen allen Interessengruppen – Arbeitnehmern, Verbrauchern und der Umwelt – gerecht werden und nicht nur ihren Aktionären.
Doch Powell und die Handelskammer sahen das anders. In seinem Memo forderte Powell die Unternehmen auf, sich für den politischen Kampf zu mobilisieren, und betonte, dass gemeinsame Organisierung und Finanzierung die entscheidenden Zutaten für den Erfolg seien. Die Kammer verteilte das Memo an führende CEOs, Großunternehmen und Handelsverbände – in der Hoffnung, sie davon zu überzeugen, dass Big Business die amerikanische Politik in einer Weise dominieren könnte, wie es seit dem Goldenen Zeitalter nicht mehr der Fall war. Es hat funktioniert.
Der Aufruf der Kammer zu einem Kreuzzug der Wirtschaft ließ praktisch über Nacht eine neue unternehmenspolitische Industrie entstehen. Zehntausende von Unternehmenslobbyisten und Politikern strömten nach Washington und in die Hauptstädte der Bundesstaaten im ganzen Land. Ich muss es wissen – ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Im Jahr 1976 arbeitete ich bei der Federal Trade Commission. Jimmy Carter hatte Verbraucherschützer ernannt, um gegen große Unternehmen vorzugehen, die jahrelang die Verbraucher getäuscht oder geschädigt hatten.
Doch fast alles, was wir bei der FTC in Angriff nahmen, stieß auf unerwartet heftigen politischen Widerstand im Kongress. Als wir damit begannen, die an Kinder gerichtete Werbung zu untersuchen, stellte der Kongress die Finanzierung der Behörde ein und legte sie für Wochen lahm. Ich war fassungslos. Was war geschehen? In drei Worten: Das Powell-Memo.
Lobbyisten und ihre Verbündeten im Kongress und schließlich die Reagan-Regierung arbeiteten daran, Agenturen wie die FTC zu entmachten – und sie mit Beamten zu besetzen, die das Fehlverhalten von Unternehmen übersehen würden.
Ihr Einfluss führte dazu, dass die FTC u. a. die Kartellgesetze nicht mehr ernsthaft durchsetzte, so dass riesige Konzerne fusionieren und ihre Macht noch weiter konzentrieren konnten. Washington verwandelte sich von einer verschlafenen Regierungsstadt in ein glitzerndes Zentrum der amerikanischen Wirtschaft – mit eleganten Bürogebäuden, schicken Restaurants und Fünf-Sterne-Hotels. In der Zwischenzeit nutzte Richter Lewis Powell den Gerichtshof, um Einschränkungen der Macht von Unternehmen in der Politik zu beseitigen. Seine Stellungnahmen in den 1970er und 80er Jahren legten den Grundstein dafür, dass Unternehmen das Recht auf freie Meinungsäußerung in Form von finanziellen Beiträgen zu politischen Kampagnen einfordern können.
Anders ausgedrückt: Ohne Lewis Powell gäbe es wahrscheinlich kein Urteil in der Rechtssache Citizens United, in der die Beschränkung der Wahlkampfausgaben von Unternehmen als Verstoß gegen die Redefreiheit“ von Unternehmen aufgehoben wurde.
Diese Klagen haben unser politisches System verändert. Mit dem Geld der Unternehmen werden ganze Heerscharen von Anwälten finanziert, die oft alle Staats- oder Bundesanwälte, die es wagen, sich ihnen in den Weg zu stellen, übertrumpfen. Der Lobbyismus ist zu einer 3,7 Milliarden Dollar schweren Industrie geworden.
Unternehmen geben in Wahljahren regelmäßig mehr Geld aus als Gewerkschaften und öffentliche Interessengruppen. Und zu viele Politiker in Washington vertreten die Interessen der Konzerne – und nicht die ihrer Wähler. Infolgedessen wurden die Unternehmenssteuern gesenkt, Schlupflöcher vergrößert und Vorschriften abgebaut.
Die Unternehmenskonsolidierung hat den Unternehmen eine beispiellose Marktmacht verliehen, die es ihnen ermöglicht, die Preise für alles von Babynahrung bis Benzin zu erhöhen. Ihre Gewinne sind in die Stratosphäre gesprungen – so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. Doch trotz des Erfolgs des Powell-Memos hat das Big Business noch nicht gewonnen. Die Menschen beginnen, sich zu wehren.
Erstens: Das Kartellrecht erlebt ein Comeback. Sowohl bei der Federal Trade Commission als auch beim Justizministerium ist eine neue Bereitschaft zu beobachten, gegen die Macht der Unternehmen vorzugehen.
Zweitens wehren sich die Werktätigen. Überall im Land organisieren sich die Arbeitnehmer so schnell wie seit Jahrzehnten nicht mehr – auch in einigen der größten Unternehmen der Welt – und sie gewinnen. Drittens ist eine Reform der Wahlkampffinanzierung in greifbare Nähe gerückt. Millionen von Amerikanern wollen die Einflussnahme von Unternehmen auf die Politik begrenzen – und die Politiker fangen an, darauf zu hören.
All dies zeigt mir, dass wir jetzt die beste Gelegenheit seit Jahrzehnten haben, die Macht der Konzerne zu bekämpfen – an den Wahlurnen, am Arbeitsplatz und in Washington. Bringen wir es hinter uns.
Mit Wolfgang verbindet mich ein langes Auf und Ab von Freundschaft und Auseinandersetzung. Wir lernten uns in einer Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (AsJ) auf Bundesebene kennen. Ich war Kreisvorsitzender der AsJ in Bielefeld, er in Lübeck. Wir trafen uns in Bonn auf Einladung des Leiters der Rechtsstelle beim SPD-Parteivorstand, Rainer Stura. Damals war OLG Präsident Rudolf Wassermann Vorsitzender der AsJ.
Wir diskutierten Rechtspolitik. Erarbeiteten 1984 Papiere über die gesellschaftlichen und politischen Folgen der sogenannten „Neuen Technologien“ (https://michaelbouteiller.de/wp-content/uploads/2022/10/Neue-Technologien-840629.pdf) und vieles mehr. 1987 sprach mich Wolfgang auf die Ausschreibung der Stelle des Lübecker Bürgermeisters an. Er unterstützte meine erfolgreiche Bewerbung.
Weshalb ich davon erzähle? Heute geht es um Haltungen in dem erbitterten lokalpolitischen Streit über Fragen des Denkmalschutzes beim Erweiterungsbau des Buddenbrookhauses. Nach Angaben der Lübecker Nachrichten (LN ) vom 17.12.2022 fertigte Wolfgang ein Rechtsgutachten für die Bürgerinitiative Rettet Lübeck (BIRL) und schickte es an die Landesregierung: Die Genehmigung des Bürgermeisters zur Teilzerstörung des Kellergewölbes für die Anlage einer Treppe sei rechtswidrig.
Dieses “Gutachten“ und die dahinter erkennbare Haltung des Schreibers überschreitet eine rote Linie. Zur Sache: Drei Jahre lang, von 2002 – 2005, war Wolfgang Nešković ein qualifizierter Richter am Bundesgerichtshof für Zivilsachen. Die Grundlage eines solchen Amtes, das verliehen wird, um über andere zu entscheiden, ist der Grundsatz der Befangenheit. Diesen Grundsatz missachtet er heute. Wer – wie er – als Mitglied einer der 11 Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft in der Frage des Denkmalschutzes der Kellerräume des Buddenbrookhauses rechtsgutachtet, ist befangen. Denn er ist nicht neutral, sondern nimmt als Mitglied einer Fraktion Partei. Wer zudem als früherer Zivilrichter heute den Verwaltungsrichter gibt, übersieht, dass beider Rollen und Rechtstechniken nicht deckungsgleich sind. Wolfgang Nešković will beides nicht wahr haben.
In der Sache kritisiert er das Denkmalschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein. Das mag er tun, nur ist dieses Vorgehen keine Frage des geltenden Rechts. Er betreibt Rechtspolitik und nicht die Auslegung des geltenden Gesetztes. In seinem Urteil zum geltenden Recht liegt er denn auch neben der Sache.
Denn der Bürgermeister ist m.E. nach §12 Abs.2 des Denkmalschutzgesetzes für die Entscheidung zuständig und hat zutreffend abgewogen. Dass er für Entscheidungen denkmalrechtlicher Art ein „Fachmann“ sein muss, steht nirgendwo geschrieben. Dafür hat ein Bürgermeister fachkundige Berater. Dass die getroffene Entscheidung des Bürgermeisters Jan Lindenau, Wolfgang Nešković, dem Politiker einer gegnerischen Fraktion, persönlich nicht passt, ist im politischen Prozess alltäglich.
Wolfgang Nešković weiß das alles, denn wir haben darüber lang und breit dikutiert. Er kann aber Niederlagen offenbar nicht akzeptieren. So greift er auf das zurück, was er gelernt hat: das Recht und die Technik rechtlicher Argumentation. So wird aus einer Machtfrage (Wer setzt sich mit seiner Meinung durch?) eine Rechtsfrage (Wer hat Recht?). Bei näherem Hinsehen wird man erkennen, Nešković benutzt das Recht als Waffe, um seine persönliche Meinung durchzusetzen. Mit allen rhetorischen Mitteln und rücksichtslos. Egal, was das (die Stadt) kostet. Darauf kommt es nicht an. Denn es geht ja – wie er meint – um’s Recht. Diese Haltung ist leider bei Juristen weit verbreitet. Gefährlich für die politische Kultur ist etwas anderes. Es ist die in dieser Argumentation versteckte Verwechslung von Recht und Macht.
Mein Freund handelt auch nicht als jedermann, sondern er beruft sich bei seinen parteipolitischen Äußerungen stets auf das Gewicht seiner kurzen Rolle als hoher Richter. Er hofft, diese vergangene berufliche Rolle verleihe seinen parteipolitischen Stellungnahmen Autorität. Richtig ist zwar der Satz von Thomas Hobbes, Autorität nicht Wahrheit schafft das Gesetz. Dem Bürgerschaftsmitglied – als das er sich äußert – verschafft das heutige Wahlamt aber keine Autorität in dieser Sache. Schade.
In den Lübecker Blättern (LB) stand ein Bericht von Prof.Dr.Klawitter, dem Vorsitzenden der Overbeck-Gesellschaft, über die Lübecker Werte-Ausstellung. Dieser Bericht war anregend.
Einen etwas längerer Text über den Wirrwarr der Werte und die Abschaffung der Moral (5 Leseminuten) habe ich im Blog aufgenommen. Mein Vorschlag, mit dem Thema „Werte“ ein städtisches Forum zu beginnen, das einmal im Jahr tagt: „Lübecker Nobelpreisträger-Diskurse“, und zwar im Bürgerschaftssaal (der hat überall Mikrofone). Weshalb?
Meine Kritik an der Lübecker Kulturpolitik beginnt mit dem Streit um die Leitlinien zur städtischen Kulturentwicklung, führt über die fehlende Beachtung des Beutelsbacher Konsenses durch die Lübecker Kurator:innen, den Hype der Meese Ausstellung und endet in der Ausstellung über die Alchemie der Stadt. Zugespitzt gesagt, was für eine Hybris: Sperrt die Werte doch in ein Museum – es lebe dann die von allen Werten befreite Kunst!
Wenn ich das recht sehe, fehlt für eine erfolgreiche Aufarbeitung dieser Fehlent-wicklung eine Auseinandersetzung mit der politischen und geistigen Lage der Stadt von Anfang des 20. Jahrhunderts an. Wenn Sie so wollen, Arbeiterklasse und Bürgertum zusammengesehen. Kulturgeschichtlich betrachtet, am Beispiel von Erich Mühsam und Thomas Mann. Politisch gesehen, am Gegeneinander von Bürgermeister Johann Neumann und Julius Leber. Dieser gesamte kultur-politische Konflikt der 1920er Jahre wird nach 1945 nicht ausgetragen, weil m.E. der Lübecker Milliardär und Stifter Emil Possehl mit seiner wunderbaren Stiftung ein Stück weit davor steht. Dessen dominante deutschnationale Persönlichkeit war nie Gegenstand einer neueren Untersuchung.
Das ist ein guter Ausgangspunkt für eine „Werte-Diskussion“ mit unseren drei Nobelpreisträgern. Deren Werk deckt die Politik der Neuzeit, das 19.Jahrhundert und die Zeit nach 1945 ab. Etwas für Kulturbürger:innen, die sich für die Zukunftsgestaltung miteinander finden wollen.
Der Zeithistoriker Wolfgang Kraushaar über die Bedrohung aus der gutbürgerlichen Mitte, die Wehrhaftigkeit der Demokratie und unsinnige RAF-Vergleiche
In diesen Tagen werden vor dem Reichstag die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Imago Images
Herr Kraushaar, in Ihrem aktuellen Buch „Keine falsche Toleranz“ widmen Sie sich ausführlich dem aus einer Corona-Demonstration hervorgegangen Angriff auf den Deutschen Bundestag im August 2020. In welchem Zusammenhang steht dieses Ereignis mit der sogenannten Reichsbürgerszene?
An jenem Sommertag vor zwei Jahren ist – wenn man einmal von der Bewaffnung absieht – fast alles vorhanden gewesen, was uns und dem Staat momentan um die Ohren zu fliegen scheint: Hass und Verachtung gegenüber dem Herzstück der Demokratie, dem Parlament; der versuchte Schulterschluss mit einem Demokratieverächter wie Donald Trump, den man bereits in Berlin gelandet wähnte; der Auftakt vor der russischen Botschaft unter den Linden mit einem Anbiederungsversuch gegenüber dem Krim-Annexionisten und heutigen Kriegsverbrecher Wladimir Putin; die Massenbewegung der Querdenker als Katalysator diverser verfassungsfeindlicher Kräfte.
Ein halbes Jahr später wirkte die versuchte Reichstagserstürmung dann auch noch als Vorwegnahme jenes gespenstischen Sturmes auf das Capitol in Washington als das Szenario einer Eroberung der Staatsmacht. Kurzum, die versuchte Erstürmung des Reichstagsgebäudes vom 29. August 2020 war das Ei, aus der die in der vergangenen Woche sichtbar gewordene „Reichsbürger“-Verschwörung gekrochen ist.
Sie stellen die Bewegung in den Kontext einer langen antidemokratischen Tradition. Wie konnten die „Reichsbürger“ so lange als „Spinner“ belächelt werden?
Obwohl deren Wurzeln auf den Holocaust-Leugner und Rechtsterroristen Manfred Roeder zurückzuführen sind, der 1975 nach einem Kontakt mit Karl Dönitz, dem letzten Reichskanzler, in Flensburg einen „Reichstag“ einberief und sich dort zum „Reichsverweser“ wählen ließ, hat man die Gefährlichkeit dieser Truppe unterschätzt. Erst als 2016 einer von ihnen einen SEK-Mann bei einer versuchten Hausdurchsuchung erschoss, war man vorgewarnt. Die „Reichsbürger“ nicht ernst zu nehmen, dürfte vor allem mit ihrem Sektencharakter und ihrer völlig realitätsfernen Ideologie zu tun gehabt haben, dass die Bundesrepublik in Wirklichkeit kein Staat, sondern eine Art GmbH sei. Doch manchmal wird aus einem Wahngebilde eine reale Bedrohung.
Können Sie die Dimensionen dieser radikalen Strömungen skizzieren?
Die „Reichsbürger“-Szene ist alles andere als homogen, sie besteht aus Dutzenden unterschiedlichen, häufig miteinander konkurrierenden Ansätzen. Sie stellt weder eine Bewegung noch eine Organisation im eigentlichen Sinne dar, eher ist sie eine Ansammlung verschiedener Netzwerkstrukturen. Vereint fühlen sich jedoch alle „Reichsbürger“ gleichermaßen in ihrer fundamentalen Leugnung der Nachkriegsrepublik – im Hinblick auf die parlamentarische Demokratie, deren Gewaltenteilung, ihre Verfassungsrechtlichkeit und auf die Rechtsstaatlichkeit. Die Corona-Pandemie scheint der ideale Nährboden dafür gewesen zu sein. In meinen Augen ist die Verfassungsfeindlichkeit der „Reichsbürger“ schon längst keine Frage mehr, sondern genau umgekehrt die in ihrer Gestalt geronnene Antwort.
Zuletzt war immer wieder von der „wehrhaften Demokratie“ die Rede. Was hat es mit dem Begriff auf sich?
Es handelt sich um nichts anderes als den Schlüsselbegriff zur Verteidigung unserer parlamentarischen Demokratie. Ursprünglich stammt er aus dem Ideenschatz deutscher Emigranten wie etwa Hans Kelsen, Karl Löwenstein oder Otto Kirchheimer, die das Scheitern der Weimarer Republik noch am eigenen Leib zu spüren bekommen hatten. Aufgegriffen wurden derartige Überlegungen dann gleich zu Beginn des Parlamentarischen Rates von dem Sozialdemokraten Carlo Schmid, einem habilitierten Staatsrechtler, der seinerzeit als Vorsitzender des dortigen Hauptausschusses fungierte. Kein anderer Politiker hat größeren Anteil am Grundgesetz als er. Ohne ihn hätte es mit der in Artikel 1 niedergelegten Unantastbarkeit der Menschenwürde wohl kaum einen geeigneteren normativen Verfassungsrahmen geben können.
Auch das Recht auf Asyl, das Verbot der Todesstrafe, die Einführung der Kriegsdienstverweigerung und das konstruktive Misstrauensvotum gehen auf ihn maßgeblich zurück. Als er am 8. September 1948 seine programmatische Rede hielt, forderte er dazu auf, den Verfassungsfeinden nicht ungewollt in die Hände zu spielen. Er appellierte eindringlich, dass man gegenüber jenen Kräften, die die Demokratie wie einst die Nazis nur dazu gebrauchen wollten, um sie umzubringen, unbedingt „den Mut zur Intoleranz“ aufbringen müsse.
Zum Konzept der wehrhaften Demokratie gehören etwa die Verfassungstreue, an die Professoren und andere Lehrende bei der Wahrnehmung ihrer Lehrfreiheit gebunden sind, das Verbot von verfassungsfeindlichen Vereinigungen, die Möglichkeit, bestimmte Grundrechte im Fall ihres Missbrauchs für verwirkt zu erklären, verfassungswidrige Parteien zu verbieten und nicht zuletzt in einem eigenen Artikel, der sogenannten Ewigkeitsklausel, die in den Artikeln 1 und 20 verankerten Grundrechte so zu schützen, dass sie auch durch parlamentarische Mehrheiten nicht mehr abgeschafft werden können.
Was müssten heute die Merkmale einer solchen Wehrhaftigkeit sein?
Die eben genannten Grundelemente stellen ja bereits wichtige Konkretionen dar. Der von dem Schweizer Journalisten Fritz René Allemann bereits 1955 konstatierte Satz, dass Bonn nicht Weimar sei, gilt auch für die Berliner Republik, also das wiedervereinigte Deutschland. Meiner Wahrnehmung nach befinden wir uns aber seit einiger Zeit in einer veränderten Bedrohungslage. Das hat nicht nur, aber auch mit der Durchsetzung des Internets und der Etablierung rechtsferner Räume in sozialen Medien wie etwa dem russischen Messengerdienst Telegram zu tun, der eine Radikalisierungsmaschine enormen Ausmaßes darstellt. Hinzu gekommen ist allerdings auch, dass verfassungsfeindliche Kräfte für die Sicherheitsdienste in vielen Fällen kaum noch zu lokalisieren sind. Der Verfassungsschutz ist angesichts dieses Dilemmas deshalb dazu übergegangen, eine eigene Kategorie namens „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ einzuführen.
Dieses Wortungetüm verrät, dass die strukturellen Vorgaben der Extremismuskonzeption mit ihrer Unterscheidung zwischen Links, Rechts und Islamistisch immer weniger funktionieren. Diese ohnehin untaugliche Ränderdefinition ist so weit aufgeweicht, dass man sich nur noch mit einer Entgrenzung zu helfen weiß. Das kommt einer terminologischen Kapitulation gleich. Angesichts der Ausweitung der als extremistisch angesehenen Kampfzone auf die gesellschaftliche Mitte wie sie sich bei den „Querdenker“-Demonstrationen niedergeschlagen hat, herrscht eine stärker angewachsene Unberechenbarkeit der demokratiefeindlichen Potentiale.
Heute wird es vor allem darauf ankommen zu verhindern, dass eine unverhohlen demokratiefeindlich auftretende Kraft wie die AfD in die Lage kommt, an die Hebel staatlicher Macht zu gelangen – zunächst auf kommunaler, dann auf Landes- und schließlich auf Bundesebene. Was der NPD immer versagt geblieben ist, in den Bundestag zu gelangen, steht nun mit der rechtspopulistischen AfD seit dem Oktober 2017 im parlamentarischen, potentiell exekutiven Raum. Damit ist man dem, was Politikwissenschaftler und Historiker in Bezug auf die Machtergreifung der Nazis als „demokratisches Paradox“ bezeichnen – mit dem legalen Mittel einer demokratisch gewählten Mehrheit die Verfassungsordnung auszuhebeln und eine Diktatur zu installieren – einen bedeutenden Schritt nähergekommen.
Woran machen Sie die neuen aus der Mitte der Gesellschaft kommenden Gefahren fest?
Schauen Sie sich an, wer am letzten Mittwoch zu den Festgenommenen zählte: ein Unternehmer, eine Ärztin, ein Pilot, ein Tenorsänger, ein Spitzenkoch, ein Elitesoldat, ein Polizeibeamter sowie eine Richterin und ein Rechtsanwalt, beide promoviert. Und das alles angeführt von einem als Immobilienmakler im Frankfurter Westend tätigen, von seinem eigenen Familienclan freilich ausgestoßenen Adligen, jenem Prinzen Reuß, der einen mit seinem Tweed-Sakko sofort an den AfD-Granden Alexander Gauland erinnert.
Allein die hier wie in einem Mikrokosmos abgebildeten Berufsgruppen stehen für das, was man gemeinhin als „gutbürgerliche Mitte“ bezeichnet. Doch diese Statusbezeichnung allein hat in der jüngeren deutschen Geschichte keineswegs automatisch für Demokratiebejahung gestanden. Die Weimarer Republik ist nicht wegen eines zwischen der NSDAP und der KPD ausgebrochenen Bürgerkrieges untergegangen, sondern wegen der Tatsache, dass die Mittelschichtenparteien zusammengebrochen und ihre Mitglieder wie Anhänger zu den Nazis übergelaufen sind.
Sie plädieren für mehr sprachliche Genauigkeit, indem Sie vorschlagen, den Begriff des Extremismus durch Radikalismus zu ersetzen. Was versprechen Sie sich davon?
Vor allem, die bislang nur unzureichend organisierte Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu effektivieren. In den Politikwissenschaften hat das Extremismuskonzept keinen besonders guten Namen. Das liegt zunächst einmal daran, dass es sich auf die vermeintlichen Ränder der Gesellschaft fixiert und damit die sogenannte Mitte zugleich indirekt für sakrosankt erklärt. Sowohl für die extreme Linke als auch für die extreme Rechte wird „Extremismus“ als Etikett verwendet.
Dieses ist jedoch vor allem topographischer Natur, wird höchst statisch betrachtet und als eine quasi-anthropologische Größe behandelt. Der Begriff des Radikalismus verfügt demgegenüber im Hinblick auf die Diagnose verfassungsfeindlicher Positionen über eine ganze Reihe von Vorteilen. Der größte von allen besteht darin, dass er sehr viel besser dazu in der Lage ist, die Dynamik von politischen Phänomenen, insbesondere den Übergang zu demokratiefeindlichen Weltanschauungsmustern gründlicher zu begreifen. Bezeichnenderweise spricht kein Mensch von einer „Extremisierung“, jeder aber von Radikalisierung.
Sie haben mehrere Standardwerke über die Geschichte des deutschen Linksradikalismus, insbesondere der RAF, geschrieben. Wie würden Sie die gegenwärtige rechtsradikale Szene im Verhältnis zur RAF der 70er und 80er Jahre beschreiben? Gibt es Gemeinsamkeiten? Worin bestehen deren Unterschiede?
Auch wenn ich selbst immer mal wieder beklagt habe, dass die RAF zu einer Art Referenzrahmen für den Terrorismus schlechthin geworden ist, so lassen sich einem Vergleich zwischen dem Linksterrorismus der siebziger Jahre und dem Rechtsterrorismus der Gegenwart doch eine ganze Reihe von Einsichten abgewinnen, die auch für eine präzisere Bestimmung der Reichsbürger-Verschwörung von Bedeutung sein könnten. Die vielleicht wichtigste Differenz besteht darin, dass die gesellschaftlichen Echoeffekte der RAF äußerst begrenzt waren.
Sie fand keinen Anklang bei der Bevölkerung im Allgemeinen und schon gar keinen bei der Arbeiterschaft, dem eigentlichen Adressaten ihrer gewaltsamen Unternehmungen. Hinzu kommt, dass sich die Anhängerschaft der RAF hauptsächlich aus einem linken akademischen Milieu rekrutierte. Das Echo von Rechtsterroristen in der Bevölkerung ist dagegen weitaus größer. Ihre Akteure entstammen der gesamten Palette der bürgerlichen Gesellschaft. Aber auch solch abgeschotteten Einrichtungen wie der Bundeswehr und der Polizei, in die die RAF nie einen Fuß hineinbekommen hat.
In den letzten Wochen wurde kontrovers darüber diskutiert, inwieweit die Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ als terroristische angesehen werden können. Was halten Sie von dieser Diskussion?
Nicht viel. Die Rede von der Klima-RAF ist ja bezeichnenderweise von einem CSU-Politiker wie dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt aufgebracht worden. Ein Mann, der in seiner Amtszeit ebenso wie sein Vorgänger Peter Ramsauer und sein Nachfolger Andreas Scheuer nichts zu einer besseren Klimabilanz zustande gebracht hat, hätte angesichts der unbestreitbaren Tendenz zu einer Verfehlung der von der Weltgemeinschaft 2015 in Paris deklarierten Ziele zu einer angemessenen Dekarbonisierung einmal seinen Mund halten sollen. Allerdings sehe ich umgekehrt kaum Gründe, die Aktionsformen der Letzten Generation als sonderlich zielführend zu betrachten.
Interview: Harry Nutt
Zur Person
Wolfgang Kraushaar, Jahrgang 1948, hat mehrere Standardwerke über die Geschichte der linksradikalen Terrorbewegung Rote Armee Fraktion (RAF) geschrieben, darunter „Die RAF und der linke Terrorismus“ (Hamburger Edition, zwei Bände). Der Historiker war über viele Jahre Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Derzeit arbeitet er für die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.„Keine falsche Toleranz“ heißt sein neues Buch, in dem er die Wurzeln antidemokratischer Traditionen in der verfassungsfeindlichen Rechten freilegt. Erschienen ist der Band in der Europäischen Verlagsanstalt, 606 Seiten, 34 Euro. Foto: Imago Images„Die Pandemie scheint der ideale Nährboden gewesen zu sein. In meinen Augen ist die Verfassungs- feindlichkeit der ,Reichsbürger‘ schon längst keine Frage mehr“
Quellenangabe: FR Deutschland vom 17.12.2022, Seite 24
Der Zeithistoriker Wolfgang Kraushaar über die Bedrohung aus der gutbürgerlichen Mitte, die Wehrhaftigkeit der Demokratie und unsinnige RAF-Vergleiche
In diesen Tagen werden vor dem Reichstag die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Imago Images
Herr Kraushaar, in Ihrem aktuellen Buch „Keine falsche Toleranz“ widmen Sie sich ausführlich dem aus einer Corona-Demonstration hervorgegangen Angriff auf den Deutschen Bundestag im August 2020. In welchem Zusammenhang steht dieses Ereignis mit der sogenannten Reichsbürgerszene?
An jenem Sommertag vor zwei Jahren ist – wenn man einmal von der Bewaffnung absieht – fast alles vorhanden gewesen, was uns und dem Staat momentan um die Ohren zu fliegen scheint: Hass und Verachtung gegenüber dem Herzstück der Demokratie, dem Parlament; der versuchte Schulterschluss mit einem Demokratieverächter wie Donald Trump, den man bereits in Berlin gelandet wähnte; der Auftakt vor der russischen Botschaft unter den Linden mit einem Anbiederungsversuch gegenüber dem Krim-Annexionisten und heutigen Kriegsverbrecher Wladimir Putin; die Massenbewegung der Querdenker als Katalysator diverser verfassungsfeindlicher Kräfte.
Ein halbes Jahr später wirkte die versuchte Reichstagserstürmung dann auch noch als Vorwegnahme jenes gespenstischen Sturmes auf das Capitol in Washington als das Szenario einer Eroberung der Staatsmacht. Kurzum, die versuchte Erstürmung des Reichstagsgebäudes vom 29. August 2020 war das Ei, aus der die in der vergangenen Woche sichtbar gewordene „Reichsbürger“-Verschwörung gekrochen ist.
Sie stellen die Bewegung in den Kontext einer langen antidemokratischen Tradition. Wie konnten die „Reichsbürger“ so lange als „Spinner“ belächelt werden?
Obwohl deren Wurzeln auf den Holocaust-Leugner und Rechtsterroristen Manfred Roeder zurückzuführen sind, der 1975 nach einem Kontakt mit Karl Dönitz, dem letzten Reichskanzler, in Flensburg einen „Reichstag“ einberief und sich dort zum „Reichsverweser“ wählen ließ, hat man die Gefährlichkeit dieser Truppe unterschätzt. Erst als 2016 einer von ihnen einen SEK-Mann bei einer versuchten Hausdurchsuchung erschoss, war man vorgewarnt. Die „Reichsbürger“ nicht ernst zu nehmen, dürfte vor allem mit ihrem Sektencharakter und ihrer völlig realitätsfernen Ideologie zu tun gehabt haben, dass die Bundesrepublik in Wirklichkeit kein Staat, sondern eine Art GmbH sei. Doch manchmal wird aus einem Wahngebilde eine reale Bedrohung.
Können Sie die Dimensionen dieser radikalen Strömungen skizzieren?
Die „Reichsbürger“-Szene ist alles andere als homogen, sie besteht aus Dutzenden unterschiedlichen, häufig miteinander konkurrierenden Ansätzen. Sie stellt weder eine Bewegung noch eine Organisation im eigentlichen Sinne dar, eher ist sie eine Ansammlung verschiedener Netzwerkstrukturen. Vereint fühlen sich jedoch alle „Reichsbürger“ gleichermaßen in ihrer fundamentalen Leugnung der Nachkriegsrepublik – im Hinblick auf die parlamentarische Demokratie, deren Gewaltenteilung, ihre Verfassungsrechtlichkeit und auf die Rechtsstaatlichkeit. Die Corona-Pandemie scheint der ideale Nährboden dafür gewesen zu sein. In meinen Augen ist die Verfassungsfeindlichkeit der „Reichsbürger“ schon längst keine Frage mehr, sondern genau umgekehrt die in ihrer Gestalt geronnene Antwort.
Zuletzt war immer wieder von der „wehrhaften Demokratie“ die Rede. Was hat es mit dem Begriff auf sich?
Es handelt sich um nichts anderes als den Schlüsselbegriff zur Verteidigung unserer parlamentarischen Demokratie. Ursprünglich stammt er aus dem Ideenschatz deutscher Emigranten wie etwa Hans Kelsen, Karl Löwenstein oder Otto Kirchheimer, die das Scheitern der Weimarer Republik noch am eigenen Leib zu spüren bekommen hatten. Aufgegriffen wurden derartige Überlegungen dann gleich zu Beginn des Parlamentarischen Rates von dem Sozialdemokraten Carlo Schmid, einem habilitierten Staatsrechtler, der seinerzeit als Vorsitzender des dortigen Hauptausschusses fungierte. Kein anderer Politiker hat größeren Anteil am Grundgesetz als er.
Ohne ihn hätte es mit der in Artikel 1 niedergelegten Unantastbarkeit der Menschenwürde wohl kaum einen geeigneteren normativen Verfassungsrahmen geben können. Auch das Recht auf Asyl, das Verbot der Todesstrafe, die Einführung der Kriegsdienstverweigerung und das konstruktive Misstrauensvotum gehen auf ihn maßgeblich zurück. Als er am 8. September 1948 seine programmatische Rede hielt, forderte er dazu auf, den Verfassungsfeinden nicht ungewollt in die Hände zu spielen. Er appellierte eindringlich, dass man gegenüber jenen Kräften, die die Demokratie wie einst die Nazis nur dazu gebrauchen wollten, um sie umzubringen, unbedingt „den Mut zur Intoleranz“ aufbringen müsse. Zum Konzept der wehrhaften Demokratie gehören etwa die Verfassungstreue, an die Professoren und andere Lehrende bei der Wahrnehmung ihrer Lehrfreiheit gebunden sind, das Verbot von verfassungsfeindlichen Vereinigungen, die Möglichkeit, bestimmte Grundrechte im Fall ihres Missbrauchs für verwirkt zu erklären, verfassungswidrige Parteien zu verbieten und nicht zuletzt in einem eigenen Artikel, der sogenannten Ewigkeitsklausel, die in den Artikeln 1 und 20 verankerten Grundrechte so zu schützen, dass sie auch durch parlamentarische Mehrheiten nicht mehr abgeschafft werden können.
Was müssten heute die Merkmale einer solchen Wehrhaftigkeit sein?
Die eben genannten Grundelemente stellen ja bereits wichtige Konkretionen dar. Der von dem Schweizer Journalisten Fritz René Allemann bereits 1955 konstatierte Satz, dass Bonn nicht Weimar sei, gilt auch für die Berliner Republik, also das wiedervereinigte Deutschland. Meiner Wahrnehmung nach befinden wir uns aber seit einiger Zeit in einer veränderten Bedrohungslage.
Das hat nicht nur, aber auch mit der Durchsetzung des Internets und der Etablierung rechtsferner Räume in sozialen Medien wie etwa dem russischen Messengerdienst Telegram zu tun, der eine Radikalisierungsmaschine enormen Ausmaßes darstellt. Hinzu gekommen ist allerdings auch, dass verfassungsfeindliche Kräfte für die Sicherheitsdienste in vielen Fällen kaum noch zu lokalisieren sind.
Der Verfassungsschutz ist angesichts dieses Dilemmas deshalb dazu übergegangen, eine eigene Kategorie namens „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ einzuführen. Dieses Wortungetüm verrät, dass die strukturellen Vorgaben der Extremismuskonzeption mit ihrer Unterscheidung zwischen Links, Rechts und Islamistisch immer weniger funktionieren. Diese ohnehin untaugliche Ränderdefinition ist so weit aufgeweicht, dass man sich nur noch mit einer Entgrenzung zu helfen weiß. Das kommt einer terminologischen Kapitulation gleich. Angesichts der Ausweitung der als extremistisch angesehenen Kampfzone auf die gesellschaftliche Mitte wie sie sich bei den „Querdenker“-Demonstrationen niedergeschlagen hat, herrscht eine stärker angewachsene Unberechenbarkeit der demokratiefeindlichen Potentiale.
Heute wird es vor allem darauf ankommen zu verhindern, dass eine unverhohlen demokratiefeindlich auftretende Kraft wie die AfD in die Lage kommt, an die Hebel staatlicher Macht zu gelangen – zunächst auf kommunaler, dann auf Landes- und schließlich auf Bundesebene. Was der NPD immer versagt geblieben ist, in den Bundestag zu gelangen, steht nun mit der rechtspopulistischen AfD seit dem Oktober 2017 im parlamentarischen, potentiell exekutiven Raum.
Damit ist man dem, was Politikwissenschaftler und Historiker in Bezug auf die Machtergreifung der Nazis als „demokratisches Paradox“ bezeichnen – mit dem legalen Mittel einer demokratisch gewählten Mehrheit die Verfassungsordnung auszuhebeln und eine Diktatur zu installieren – einen bedeutenden Schritt nähergekommen.
Woran machen Sie die neuen aus der Mitte der Gesellschaft kommenden Gefahren fest?
Schauen Sie sich an, wer am letzten Mittwoch zu den Festgenommenen zählte: ein Unternehmer, eine Ärztin, ein Pilot, ein Tenorsänger, ein Spitzenkoch, ein Elitesoldat, ein Polizeibeamter sowie eine Richterin und ein Rechtsanwalt, beide promoviert. Und das alles angeführt von einem als Immobilienmakler im Frankfurter Westend tätigen, von seinem eigenen Familienclan freilich ausgestoßenen Adligen, jenem Prinzen Reuß, der einen mit seinem Tweed-Sakko sofort an den AfD-Granden Alexander Gauland erinnert. Allein die hier wie in einem Mikrokosmos abgebildeten Berufsgruppen stehen für das, was man gemeinhin als „gutbürgerliche Mitte“ bezeichnet. Doch diese Statusbezeichnung allein hat in der jüngeren deutschen Geschichte keineswegs automatisch für Demokratiebejahung gestanden.
Die Weimarer Republik ist nicht wegen eines zwischen der NSDAP und der KPD ausgebrochenen Bürgerkrieges untergegangen, sondern wegen der Tatsache, dass die Mittelschichtenparteien zusammengebrochen und ihre Mitglieder wie Anhänger zu den Nazis übergelaufen sind.
Sie plädieren für mehr sprachliche Genauigkeit, indem Sie vorschlagen, den Begriff des Extremismus durch Radikalismus zu ersetzen. Was versprechen Sie sich davon?
Vor allem, die bislang nur unzureichend organisierte Wehrhaftigkeit unserer Demokratie zu effektivieren. In den Politikwissenschaften hat das Extremismuskonzept keinen besonders guten Namen. Das liegt zunächst einmal daran, dass es sich auf die vermeintlichen Ränder der Gesellschaft fixiert und damit die sogenannte Mitte zugleich indirekt für sakrosankt erklärt. Sowohl für die extreme Linke als auch für die extreme Rechte wird „Extremismus“ als Etikett verwendet. Dieses ist jedoch vor allem topographischer Natur, wird höchst statisch betrachtet und als eine quasi-anthropologische Größe behandelt. Der Begriff des Radikalismus verfügt demgegenüber im Hinblick auf die Diagnose verfassungsfeindlicher Positionen über eine ganze Reihe von Vorteilen. Der größte von allen besteht darin, dass er sehr viel besser dazu in der Lage ist, die Dynamik von politischen Phänomenen, insbesondere den Übergang zu demokratiefeindlichen Weltanschauungsmustern gründlicher zu begreifen. Bezeichnenderweise spricht kein Mensch von einer „Extremisierung“, jeder aber von Radikalisierung.
Sie haben mehrere Standardwerke über die Geschichte des deutschen Linksradikalismus, insbesondere der RAF, geschrieben. Wie würden Sie die gegenwärtige rechtsradikale Szene im Verhältnis zur RAF der 70er und 80er Jahre beschreiben? Gibt es Gemeinsamkeiten? Worin bestehen deren Unterschiede?
Auch wenn ich selbst immer mal wieder beklagt habe, dass die RAF zu einer Art Referenzrahmen für den Terrorismus schlechthin geworden ist, so lassen sich einem Vergleich zwischen dem Linksterrorismus der siebziger Jahre und dem Rechtsterrorismus der Gegenwart doch eine ganze Reihe von Einsichten abgewinnen, die auch für eine präzisere Bestimmung der Reichsbürger-Verschwörung von Bedeutung sein könnten. Die vielleicht wichtigste Differenz besteht darin, dass die gesellschaftlichen Echoeffekte der RAF äußerst begrenzt waren. Sie fand keinen Anklang bei der Bevölkerung im Allgemeinen und schon gar keinen bei der Arbeiterschaft, dem eigentlichen Adressaten ihrer gewaltsamen Unternehmungen. Hinzu kommt, dass sich die Anhängerschaft der RAF hauptsächlich aus einem linken akademischen Milieu rekrutierte. Das Echo von Rechtsterroristen in der Bevölkerung ist dagegen weitaus größer. Ihre Akteure entstammen der gesamten Palette der bürgerlichen Gesellschaft. Aber auch solch abgeschotteten Einrichtungen wie der Bundeswehr und der Polizei, in die die RAF nie einen Fuß hineinbekommen hat.
In den letzten Wochen wurde kontrovers darüber diskutiert, inwieweit die Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ als terroristische angesehen werden können. Was halten Sie von dieser Diskussion?
Nicht viel. Die Rede von der Klima-RAF ist ja bezeichnenderweise von einem CSU-Politiker wie dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt aufgebracht worden. Ein Mann, der in seiner Amtszeit ebenso wie sein Vorgänger Peter Ramsauer und sein Nachfolger Andreas Scheuer nichts zu einer besseren Klimabilanz zustande gebracht hat, hätte angesichts der unbestreitbaren Tendenz zu einer Verfehlung der von der Weltgemeinschaft 2015 in Paris deklarierten Ziele zu einer angemessenen Dekarbonisierung einmal seinen Mund halten sollen. Allerdings sehe ich umgekehrt kaum Gründe, die Aktionsformen der Letzten Generation als sonderlich zielführend zu betrachten.
Interview: Harry Nutt
Zur Person
Wolfgang Kraushaar, Jahrgang 1948, hat mehrere Standardwerke über die Geschichte der linksradikalen Terrorbewegung Rote Armee Fraktion (RAF) geschrieben, darunter „Die RAF und der linke Terrorismus“ (Hamburger Edition, zwei Bände).
Der Historiker war über viele Jahre Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Derzeit arbeitet er für die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.
„Keine falsche Toleranz“ heißt sein neues Buch, in dem er die Wurzeln antidemokratischer Traditionen in der verfassungsfeindlichen Rechten freilegt. Erschienen ist der Band in der Europäischen Verlagsanstalt, 606 Seiten, 34 Euro. Foto:
„Die Pandemie scheint der ideale Nährboden gewesen zu sein. In meinen Augen ist die Verfassungsfeindlichkeit der ,Reichsbürger‘ schon längst keine Frage mehr“
Quellenangabe: FR Deutschland vom 17.12.2022, Seite 24
14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten
vom 28. Juli 1868
Abschnitt 3. Niemand darf Senator oder Abgeordneter im Kongreß oder Wähler des Präsidenten und des Vizepräsidenten sein oder ein ziviles oder militärisches Amt in den Vereinigten Staaten oder in einem Staat bekleiden, der zuvor als Mitglied des Kongresses oder als Offizier der Vereinigten Staaten oder als Mitglied einer staatlichen Legislative oder als Exekutiv- oder Justizbeamter eines Staates einen Eid geleistet hat,die Verfassung der Vereinigten Staaten zu unterstützen, und der sich an einem Aufstand oder einer Rebellion gegen dieselbe beteiligt oder den Feinden derselben Hilfe oder Beistand geleistet hat. Der Kongreß kann jedoch mit einer Zweidrittelmehrheit in jeder Kammer eine solche Behinderung aufheben.
Von Christian Klawitter, Lübeckische Blätter 2022/19, S.336
Reden wir also über Werte. Werte im ethischen Sinn sind ein fester Bestandteil unseres Denkens und unseres Sprachgebrauchs. Zentrales Thema der Ethik ist die Frage nach „dem Guten“. Als wertvoll angesehen wird nur, was für gut befunden wird, was wünschenswert und erstrebenswert ist. Wer das Gute missachtet, stellt sich außerhalb der Wertegemeinschaft. Deshalb werden Werte beschworen und streben nach Einheit.
Werte gibt es viele: Es gibt westliche Werte, europäische Werte, jüdisch- christliche Werte und viele andere Werte mehr. Die wohl größte Wertegemeinschaft ist die Gemeinschaft aller Demokraten, jedenfalls hier bei uns. Länderübergreifend teilen wir gemeinsame Werte in der Europäischen Union und sogar die Nato versteht sich erklärtermaßen als Wertegemeinschaft. Je größer die Wertegemeinschaft desto hochrangiger sind deren Werte, die umso entschlossener verteidigt werden müssen, wann immer sie in Frage gestellt oder sogar angegriffen werden. Wer Werte setzt, macht Werte geltend, und die Geltendmachung verlangt nach Durchsetzung. Den Werten ist ihre handlungsleitende Funktion im- manent.
Carl Schmitt sprach deshalb von der „Tyrannei der Werte“, die wir heute als Straßenblockaden der „Letzten Generation“ oder als Cancel Culture identitärer Bewegungen erleben.
Werte sind also vielleicht doch nicht nur „gut“, wie uns ihre Verfechter Glauben machen wollen. Sie bergen vielmehr Gefahren in sich. Die größte Gefahr liegt in ihrem absoluten Geltungsanspruch. Werte definieren sich maßgebend aus der Negation – dem Unwert. Wer den Wert beansprucht und ihm Geltung verschafft, muss dessen Negation bekämpfen:
„Wen solche Lehren nicht erfreuen, verdient nicht, ein Mensch zu sein“, heißt es bei Sarastro in Mozarts „Zauberflöte“. Der „Gutmensch“ entscheidet darüber, wer Mensch sein darf oder zum Unmenschen degradiert werden kann, der jeden Respekt verwirkt hat und jeden Schutz gegen Angriffe verliert.
Verbrämt wird dieser Anspruch mit einer sich objektiv gebenden Wertsprache. Schon der Begriff „Werte“ führt in die Irre, weil es keine objektiv geltenden und allgemein-verbindlichen Werte gibt, sondern nur subjektiv begründete Wertvorstellungen. Allein schon die sprachliche Verkürzung führt zu einer gedanklichen Verselbstständigung der Werte, zur Abkoppelung vom wertenden Subjekt. So verbindet sich Wertsetzung mit einem Geltungsanspruch, dem zu widersprechen beinahe begriffsnotwendig ins Abseits führt, denn der „Wert“ ist per se gut, Widerspruch dagegen kann also nur ungut sein.
Wie relativ Werte dagegen sind, zeigt sich selbst an einem so evident „richtigen“ Wert wie der Toleranz. „Toleranz“, wusste schon Goethe zu sagen, „sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: dulden heißt beleidigen.“
Richtiger wird man sagen müssen, wer duldet, erhebt sich zum Souverän, zum Herrscher darüber, was geduldet wird und was nicht. Die Geschichte ist voll von opportunistischen Toleranzedikten, die, für den Skeptiker wenig überraschend, zumeist nur von kurzer Dauer waren und für die Geduldeten nicht selten böse endeten.
Allerdings führt das Ende der Toleranz nicht notwendig in den Unwert der Intoleranz. Freiheit vor Intoleranz und Unterdrückung ist ein großer Wert, aber schon Kant wusste, wo die Freiheit des Einzelnen endet, nämlich dort, wo die Freiheit des anderen anfängt. Wo etwas anfängt und wo etwas endet, darf sich indessen nicht nach einer behaupteten „Werteordnung“ richten, die durch kein geregeltes Verfahren legitimiert ist, sondern allein nach Maßgabe der verbindlich geltenden Rechtsordnung. Welche Rechte dem Einzelnen zustehen und welche Grenzen diesem Recht ggf. gezogen sind, bestimmt sich nach unserer Verfassung, dem Grundgesetz, und den diesbezüglichen einfachgesetzlichen Bestimmungen, die ihrerseits grundrechtskonform sein müssen. Werte sind dagegen Setzungen, die im günstigsten Fall das Resultat eines offenen gesellschaftlichen Diskurses sind, im schlimmsten Fall diktatorisch verordnet werden. Außerdem unterliegen Werte stetem Wandel bis zur Beliebigkeit. Wer sich auf Werte verlässt, kann deshalb schnell verlassen sein.
Die Ausstellungsreihe „Alchemie der Stadt“ trägt diesem Befund Rechnung, wenn auch nicht explizit. Sie führt weg von den hehren Setzungen beschworener Wertegemeinschaften und macht sich auf die Suche nach individuellen Wertvorstellungen, die in Stadtgesprächen, Workshops, Diskussions- und Er- fahrungsgruppen offengelegt werden. Dabei werden persönliche Erlebnisse zu Gradmessern von Werterfahrungen. Gemessen werden diese Erfahrungen beispielhaft an Werten wie Respekt, Selbstverwirklichung und Offenheit. Die individuelle Sicht auf diese Kategorien macht sich an Erlebnissen fest, an denen die Bedeutung der Werte für das jeweilige Individuum und damit auch für das Zusammenleben in einer Gemeinschaft offenbar werden.
Diese Rückkopplung individueller Werterfahrungen mit eher abstrakt postulierten Werten begünstigt das Anliegen, die Geltung von Werten zu untermauern und zu rechtfertigen und sie zum anerkannten Kompass ethischen Verhaltens zu machen. Dies gilt umso mehr in einer bevorzugt auf wirtschaftlichen Erfolg gerichteten Gesellschaft, in der Werte nicht selten zu Labels werden, mit denen bestimmte Forderungen wie Respekt oder Offenheit erhoben werden, die in Wahrheit interessengeleitet sind, was den betreffenden Wert zum Wirtschaftsgut verkommen und ihn als Richtschnur gemeinnützigen Handelns unbrauchbar werden lässt. Auf diese Weise werden Werte zu Manipulationstools und also wertlos. Das Lübecker Experiment „Alchemie der Stadt“ tritt dem entgegen.