Michael Bouteiller, Lübeck, den 11.2.2021
16 Punkte zur Einschätzung der Vorlage „Leitlinien zur Kulturentwicklung“
- Unter dem Deckmantel einer „organischen Stadtkultur“ soll – wenn ich das richtig lese – für Lübeck eine im Ergebnis Ideologie-bildende Suprastruktur geschaffen werden.
- Sie soll die kulturelle Legitimität Lübecks als „organische Kulturstadt“ erzeugen und begründen.
- Die siebenfache Verwendung und Hervorhebung des Wortes „organisch“ in der Vorlage legt nahe, dass Ziel der Autor:innen die grundlegende Wandlung der jetzigen Stadtorganisation hin zu einer flexiblen (flüssigen) Produktionsstätte kultureller Dominanz sein soll.
- Diese Produktionsstätte arbeitet vorbei an der Einbettung in Funktionen und Strukturen herkömmlichen kommunalverfassungsrechtlichen Entscheidens.
- Deshalb wird in dem Papier – entgegen des Wortlauts- keine inhaltliche Leitlinie vorgeschlagen, sondern es wird unter dem Begriff „Kulturentwicklungskonzept“ in Wirklichkeit eine neue Handlungseinheit geschaffen. Nicht mehr und nicht weniger.
- Denn ohne die Handlungseinheit „KTH“ findet sich auf den 54 Seiten der Vorlage lediglich eine (verdienstvolle) Aufstellung vorhandener kulturaffiner Institutionen und Initiativen. Außerdem enthält das Papier Leerformeln.
- Die öffentlich-rechtlichen Zuständigkeits- und Verantwortungsketten des kommunalen Verfassungsrechts greifen (nach Einrichtung von KTH) nicht mehr. Gleiches gilt für die Bindungen des kommunalen Finanzrechts.
- Die Verbindung einer finanzstarken Stiftung (Possehl) mit der Stadtverwaltung in einer organisatorischen Einheit lässt die Verantwortlichkeiten für städtisches und/oder privates Entscheiden diffus. Die gebotene Trennung von Stftungs- und städtischer Verantwortung entfällt.
- Die Einflussnahme der Stiftungsvertreter und der privaten Interessenten, die eigene gewerbliche Zwecke vertreten (Kreativwirtschaft), gegenüber denjenigen der Stadt ist nicht kontrollierbar. Ihre Vertreter:innen stellen sich keiner öffentlichen Verantwortung.
- Der Beirat hat nach dem Konzept eine starke Stellung. Die Zusammensetzung wird man sich entsprechend der Zusammensetzung der Arbeitsgemeinschaft „Kulturtreibhaus“ vorstellen können (https://www.kulturtreibhaus.org/idee/arbeitsgemeinschaft-kulturtreibhaus/)
- Im Zweifel wird sich der finanzielle Anreiz (Possehl-Stiftung: jährlich ca. 1/4 des Unternehmensgewinns, 2015 waren es ca.15 Mio.€))- gleich, ob und wie das einzelne Projekt gefördert wird oder nicht – in der Projektentscheidung durchsetzen. Städtische Gremien (Bürgerschaft, Ausschüsse, Controlling) werden vor vollendete Tatsachen gestellt.
- Das Meese-Projekt 2019 dient dabei als ein Produktions-Beispiel (S.33). Dazu und zu seinen Implikationen: https://michaelbouteiller.de/?page_id=1575
- Die beabsichtigte Ansiedlung des KTH bei der LTM ist dysfunktional.
- Ein von den Verfasser:innen benutzter Rückgriff auf das Regensburger Modell „Forum Kreativwirtschaft“ ist mit dem hier ins Auge genommenen Gewicht und der Organisationsstruktur KTH nicht vergleichbar.
- Mit der Beschlussfassung dieser Vorlage gerät die Stadt in die Hände einer nicht kontrollierbaren (privat-public) „Kreativwirtschaft“, deren Gefahren von mir beschrieben sind: https://michaelbouteiller.de/?page_id=1793
- Stattdessen sollten sich die zuständigen städtischen Gremien mit den zukünftigen inhaltlichen Leitlinien einer demokratisch verankerten kulturellen Entwicklung unserer Stadt befassen.