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Allgemein/Politik/Geschichte Lübeck

Der Lübecker Hochstapler Felix Krull II.

Welcher der „lieben Freunde und Freundinnen” des künstlerischen und kaufmännischen Leiters der Overbeck-Gesellschaft, Dr. Z. einer der Tochtergesellschaften der Gemeinnützigen, fühlt sich eigentlich für den jahrelangen (2015-2023) Betrug, die Unterschlagung, Urkundenfälschung und Veruntreuung mitten im »Weltkulturerbe Lübeck« verantwortlich? Wer ist diesem Hochstapler Felix Krull II. auf den Leim gegangen? Zum Abschluss seiner Lübecker Karriere hat er ja „was Großes“ hinterlassen: Die Möblierung der Kirchen für die gehobenen Klassen, ein vorweihnachtliches Geschenk für seinen Hamburger Kunstfreund Jankowski. Den Spendern war das ganze 400.000€ (?) wert. Dann aber Tschüss.. Die Tempelreinigung steht noch aus.

Den Spendern sei das Konto der Obdachlosenhilfe Lübeck ans Herz gelegt: DE45 2305 0101 0160 4730 05.

Bereits In seiner Dissertation »bootstrap. Abweichung vom Selbstverständlichen« warnt er vor den Gefahren der Manipulation: „Das Gehirn verliert seine organische Monopolstellung. In diesem Augenblick ändert ein Mensch seinen ontologischen Status „von Hardware zu Software“: Er wird nicht mehr nur mit dem materiellen Träger identifiziert. Die hier verborgene Gefahr der Manipulation bewirkt einen psychischen Druck, an dem die individuelle Seele zerbrechen kann. Eine daraus resultierende zerrüttete Identität offenbart sich als Belastung, die zur Spaltung führt. Es entwickeln sich halluzinogene Imaginationen, hochgradige Schizophrenien, die an historische Schilderungen von „Besessenen“ erinnern.“ (http://publications.rwth-aachen.de/record/52933/files/Zybok_Oliver.pdf, S.4). Damit ist alles gesagt.

 

Lübeck 23.12.2023

 

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Allgemein/Politik/Geschichte Lübeck

Den Lübecker Graben überwinden!

Was an den letzten Bürgerschaftssitzungen spektakulär war und unverzüglich geändert werden sollte, ist das gegenseitige Misstrauen und die gegenseitige Isolation von Bürgerschaft und Verwaltung in Lübeck. Hinzu kommt – seit dem unglücklichen Koalitionsbruch der SPD im Januar 2023 mit der Wahl der Bausenatorin – der tiefe Graben zwischen CDU und SPD, den die beiden stärksten Fraktionen kultivieren.

Besonders abschreckend waren dabei die Verleumdungen des Amtsinhabers. Ein Indiz für die negative Wirkung kommunaler Politik ist die gegenüber 2017 noch geringere Wahlbeteiligung von 37% beim ersten Wahlgang der Wahl des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin. 2017 waren es bei der Direktwahl im ersten Wahlgang noch 39,2%. Eine Wahlbeteiligung, die zwar  ebenfalls beschämend gering ist, aber für Wahlen von Bürgermeister- oder Bürgermeisterinnen in den Kreisfreien Städten Schleswig-Holsteins leider nicht unüblich. 

Was tun? Die Antwort darauf ist kompliziert. Der spektakuläre Graben zwischen Verwaltung und Bürgerschaft oder besser, das Ohren-Verschließen vor den Fakten der Verwaltung in Lübeck, liegt nicht nur an den handelnden Personen. Die geänderte Kommunalverfassung von 1997, die den Senat als kommunalverfassungsrechtlich vermittelndes Organ abschaffte, ist eine wesentliche Ursache für das »Neue Schweigen«.

In der Senats-Verfassung bis 1997 wäre diese Nichtkommunikation unmöglich gewesen, weil die hauptamtlichen- und ehrenamtlichen Senatsmitglieder fest in die Fraktionen eingebunden waren. Dort übermittelten sie das alltägliche Verwaltungswissen in die Fraktionen und umgekehrt das Fraktionswissen wiederum in den Senat. Die neue Bürgermeister-Verfassung überlässt indes diesen für das kommunale Leben existenziellen Informationsaustausch der Willkür der führenden Personen. Diese kommunalverfassungsrechtlich vorgegebene Nicht-Organisation einer gegenseitigen verlässlichen Kommunikation ist äußerst schädlich.

Deshalb ist es nun in erster Linie eine neu erwachsene verfassungspolitische Pflicht der gleichgeordneten Repräsentanten beider Organe, hier des Stadtpräsidenten und des Bürgermeisters, proaktiv eine förderliche Kommunikationsordnung herzustellen. Dabei sorgt der Stadtpräsident in der Bürgerschaft und der Bürgermeister in der Stadtverwaltung für die jeweilige kommunikative Ordnung. Beide haben Störungen wie etwa Fake News in ihrer verheerenden Wirkung auf die Stadtpolitik auszuschließen. Ein Weitermachen wie bisher, die verbissene Optimierung des Falschen, ist zwar subjektiv naheliegender als die Suche nach Wegen, die man bisher noch nicht gegangen ist. Es ist indes für Lübeck hohe Zeit, die Inschrift des Holstentores, „CONCORDIA DOMI FORIS PAX“ (Eintracht drinnen, Frieden außen), nach 160 Jahren wiederzubeleben!

Demgegenüber ist die Analyse der Lübecker Nachrichten vom 8.11. 2023, die fragt, ob die hohe Zahl der Nichtwähler von über 60% auf die Einführung der Direktwahlen der Bürgermeister oder Bürgermeisterinnen ab 1998 zurückzuführen, und deshalb wieder abzuschaffen sei, offensichtlich ein Holzweg:

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Brief von bosnischen Kindern 1992?

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Allgemein/Politik/Geschichte Lübeck

Was tun gegen eine bankrottwillige Mehrheit von Mitgliedern der Bürgerschaft?

Wenn eine Mehrheit der Bürgerschaft (in Lübeck CDU/GRÜNE) Bauprojekte bewusst an die Wand fährt, um einem Bürgermeister zu schaden oder sich an seiner Fraktion für parteiische Personalentscheidungen zu rächen oder aus sonstigen niedrigen Beweggründen, gibt die neue Schleswig-Holsteinische Kommunalverfassung keine Handhabe. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus.

Die Gemeindeordnung gab früher dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin der kreisfreien Stadt das Recht, gegen rechtswidrige Ratsbeschlüsse oder solche Ratsbeschlüsse Widerspruch einzulegen, die dem Wohl der Gemeinde widersprechen. Der politische Prozess wurde unterbrochen und mit Hilfe der Verwaltungsgerichte geklärt.

Die Mehrheitsbeschlüsse der Bürgerschaft im Falle des Buddenbrookhauses (BBH) und des Heiligen Geist Hospitals (HGH) lösen Schäden der Stadt in Millionenhöhe aus. In der Öffentlichkeit werden die Folgen dieser desaströsen Mehrheitsbeschlüsse dem Bürgermeister zugerechnet: »Der hat das doch alles in der Hand !«, heißt es. Das ist falsch.

Mit der Neufassung der Kommunalverfassung (1997) und der Direktwahl des Bürgermeisters und der Bürgermeisterin wurde das Beanstandungsrecht auf rechtswidrige Beschlüsse der Gemeindevertretung beschränkt (§43 GemO). Derartige haushaltswirksame Irrsinnsbeschlüsse wie im Falle Lübecks beim BBH und HGH, die Millionenschäden auslösen, sind nicht rechtswidrig.

Ein Grausen! Der Landtag muss diese krasse Fehlentscheidung von 1997 zurück nehmen und die alte Fassung der Gemeindeordnung wiederherstellen! Heute bleibt nur die Alternative, eine derartige gemeinschädliche Mehrheit abzuwählen!

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Allgemein/Politik/Geschichte Lübeck

Die Fakten des Dr.Flasbarth

Das Interview in den LN vom 20./21.August 2023 brachte es an den Tag. Da will einer Bürgermeister für alle Lübecker und Lübeckerinnen sein. Und er will Lübeck zur richtigen Fahrradstadt umwandeln und dafür die Verkehrsinfrastruktur schaffen. Gut und schön.

Um seine Ziele zu erreichen, beschreibt er seine Arbeitsweise: Er will, dass die „Stadtgesellschaft verbindlich eingebunden“ wird in seine Projekte. Dazu will er zunächst das Verhältnis von Bürgermeister und Bürgerschaft als „Miteinander” organisieren. Und er hofft zum Beispiel, dass das „Neue Buddenbrookhaus“ mit den Fördergeldern nun umgeplant werden kann, weil die „Teilzerstörung“ des Kellers mit der alten Planung sofort beklagt worden wäre.

Da hat einer allen Ernstes  die Stirn, vom Täter in die Retter-Rolle zu schlüpfen, der bisher höchstselbst die Spaltung  dieses „Miteinander“ von Bürgerschaft, Verwaltung und Bürgermeister auf die Spitze getrieben hat, indem ihm nichts besseres einfiel, als Bürgermeister und Verwaltung mehrfach der Lüge zu bezichtigen.

Da tritt einer an, der behauptet, der Weiterbau des am 27.10.2022 beschlossenen kulturellen Jahrhundertprojekts der Stadt, das Buddenbrookhaus, werde nur mit der neuen Planung gerettet. Der alte Bauplan sei rechtswidrig. Er will uns also weiß machen, er sei der eigentliche Retter in der Not. Leider verschweigt unser Kandidat, dass der Landtag die Verbandsklage im Denkmalrecht seinerzeit zwar ausdrücklich erörtert, eine Verbandsklage dann aber klipp und klar abgelehnt hat. Das Denkmalrecht in Schleswig-Holstein kennt – wie jeder weiß – keine Verbandsklage. Schade. Alles also wieder nur Fake News. Oder doch nicht? Am 31.8.2023 bemühte er dann den Umweltminister. Der habe der BIRL »das Klagerecht« verliehen. Oha! Ein Minister verleiht  prozessuale Rechte? Mumpitz. Er hat die BIRL lediglich als Umweltschutzverband anerkannt. Das war’s. Von einem Klagerecht ist keine Rede. Alles heiße Luft.

Oder: Die unter Denkmalschutz gestellte Hubbrücke: Da beschuldigt der Kandidat zusammen mit seinem Bundestagsabgeordneten Hönel allen Ernstes seinen Konkurrenten, sich nicht um eine schnellere Sanierung zu bemühen! Er weiß genau, dass er  hier eiskalt fake news produziert, nachdem die Bürgerschaft 2015 die vom Bund vorgeschlagene Sanierung abgelehnt hat. Warum hat er als Fraktionschef der Grünen nicht selbst einen Beschlussvorschlag zur Änderung eingebracht? 

Zu guter Letzt: Axel Flasbarth will, wie man nachlesen kann, dass die Lübecker Stadtgesellschaft in seine Projekte  »verbindlich eingebunden« wird. Was soll das denn nun wieder heißen? Derartige Versuche, eine Stadtgesellschaft »verbindlich« zu formieren, scheiterten bisher nach 1945. Sie widersprechen unserem liberalen Rechtsverständnis. Lübeck ist zum Glück keine »Formierbare Gesellschaft«. Sie sollte es auch mit der Wahl Dr.Flasbarths zum Bürgermeister nicht werden!

Einen  Bürgermeister der heißen Luft, der uns das Blaue im Himmel verspricht und dem nur einfällt, seinen Mitbewerber  haltlos zu beschuldigen, den hat Lübeck nicht verdient.

 

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Allgemein/Politik/Geschichte Kunst Lübeck

Die Zerstörung der kulturellen Identität Lübecks



Mit den Bürgerschaftsbeschlüssen vom 20.3.2023 und vom 27.6.2023 und dem Beschluss des Hauptausschusses vom 10.8.2023 zum Buddenbrookhaus findet die kulturelle Identität der Stadt nach dem 2.Mai 1945 ein Ende. 

Lübeck gründete nach der Katastrophe des Bürgerlichen Zeitalters des 19.und 20. Jahrhunderts mit seinen weltweit rund 187 Millionen Toten (Eric Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme, München Wien 1995, S.26) seine geistige Identität maßgeblich auf  die Botschaft von Persönlichkeiten wie Hans Blumenberg, Willy Brandt, Arnold Brecht, Edmund Fülscher, Erich Klann, Erika Klann, Minna Klann, Hermann Lange, Julius Leber, Heinrich und Thomas Mann, Erich Mühsam, Eduard Müller, Werner Puchmüller, Johannes Prassek, Gustav Radbruch, Karl Friedrich Stellbrink, Fritz Solmitz.

Das Museumsprojekt Buddenbrookhaus, das die Bürgerschaft 2022 mehrheitlich beschlossen hatte, symbolisierte den zukunftsgerichteten Willen und das Bekenntnis der Stadt zum europäischen geistigen Neubeginn nach den vom Deutschen Reich und seiner Bürgergesellschaft verursachten Menschheitsverbrechen.

Dieses Bekenntnis zu einem Neubeginn war bisher über Partei-, Religions-, Klassen- und Vermögensgrenzen hinweg in Lübeck unstreitig. Kern des Denkens dieser Lübecker Widerständler und Widerständlerinnen war die von Hannah Arendt in ihrem 1951 erschienenen Buch „Die Ursprünge des Totalitarismus“ herausgearbeitete grundlegende Unterscheidung von wahr und falsch:

„Eine Mischung aus Leichtgläubigkeit und Zynismus ist in allen Rängen totalitärer Bewegungen verbreitet, und je höher der Rang, desto mehr wiegt der Zynismus die Leichtgläubigkeit auf“. Das heißt, bei denjenigen, die die Öffentlichkeit täuschen, ist der Zynismus stärker, bei denjenigen, die getäuscht werden, ist es die Leichtgläubigkeit, aber die beiden sind nicht so getrennt, wie es scheinen mag. 

Die Unterscheidung zwischen glaubhaft und unglaubwürdig, wahr und falsch ist für Menschen, die empörende und widerlegbare Ideen als Eintrittskarte in eine Gemeinschaft oder eine Identität ansehen, nicht relevant.  Ohne das Joch der Wahrhaftigkeit um den Hals können sie Überzeugungen wählen, die ihrem Weltbild schmeicheln oder ihre Aggression rechtfertigen. Ich betrachte dieses Abgleiten in die Fiktion manchmal als eine Art Amoklauf des Libertarismus – früher sagten wir: „Du hast ein Recht auf deine eigene Meinung, aber nicht auf deine eigenen Fakten.“ 

Wer die Bürgerschaftssitzungen vom 20.3. und 27.6.2023 und die Sitzung des Hauptausschusses vom 10.8.2023 verfolgt hat, bleibt sprachlos zurück. Die Folgen dieser dort offensichtlich gewordenen im falschen Mittelalter steckengebliebenen widerwärtigen und verlogenen Weltsicht der Bürgerschaftsmehrheit für die Identität der Stadt, deren Haushalt, die nationalen und internationalen Nutzer und Nutzerinnen und die Beschäftigten des Museumsprojektes sind heute absehbar: Es ist die Inkaufnahme der Zerstörung der kulturellen Identität des Gemeinwesens Lübeck der Nachkriegszeit.

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Allgemein/Politik/Geschichte Lübeck Persönliches Profil

Das Portrait: Der sanfte Radikale

taz. die tageszeitung, vom 22. 1. 1996

Renitenter Bürgermeister Michael Bouteiller 

Da stellt sich ein Mann hin und weint. Öffentlich. Vor laufenden Kameras, offenen Mikrofonen und Hunderten Augenpaaren. Michael Bouteiller (51) ist Politiker, SPD- Bürgermeister von Lübeck. Zehn Menschen sind am Donnerstag bei dem Feuer in einem Flüchtlingsheim der Stadt verbrannt. Ein Schwarzafrikaner hat seine Frau und fünf Kinder verloren. Als der Familienvater bei einer Bürgerbefragung zusammenbricht, ist es der Bürgermeister, der ihn umarmt und mit ihm weint.

Doch Michael Bouteiller heult nicht einfach nur rum. „Sehr schnell war mir klar, daß es jetzt auch darum geht, eine Botschaft rüberzubringen“, sagt er. Und die verschärft erneut den Streit um das Asylgesetz. „Wir müssen die Gemeinschaftsunterkünfte auflösen, das unmenschliche Asylgesetz ändern, zivilen Ungehorsam leisten, um die Menschen vor Abschiebung zu schützen.“ Und: „Wenn der Staat sich entfernt von der Gesellschaft, ist es dieser Staat, den wir abschaffen müssen.“ Nichts als radikale Sprüche?

Bouteiller ist Jurist. Ein schmächtiger Mann mit braunen, bebrillten Augen und empfindlichem Blick. Seit 1988 ist er Lübecker Bürgermeister, vorher arbeitete er als Richter in Minden, baute in Bielefeld das Umweltamt auf und übte sich nebenbei bei Blockaden gegen die Atomwaffenstationierung.

„Offen“ sei er, sagt er über sich, „wenig aggressiv, aber durchsetzungsfähig.“ Kurz nach der Amtsübernahme in Lübeck attackierte er prompt die dort versammelte Atomlobby. Letztes Jahr legte er sich mit der Kaufmannschaft seiner Hansestadt an, weil er die Stadt vor „ausschließlichen Kapitalverwertungsinteressen schützen“ wollte. Als den „letzten Sozialisten“ beschimpften ihn daraufhin die Lübecker Nachrichten.

Die CDU stempelt ihn zum Hampelmann und versuchte bereits zweimal, ihn abzusägen. Die oberste Sozi- Riege wollte ihn 1993 gegen Björn Engholm als Bürgermeister austauschen – doch da war die SPD-Basis vor. Was ihn in der Asyldiskussion treibt, ist sein eigenes schlechtes Gewissen. Vor zwei Jahren warb er noch selbst für eine Grundgesetzänderung beim Asylrecht. Jetzt wirbt er für einen offenen Rechtsbruch beim Asylverfahrensgesetz. Ohne den Rückhalt der Lübecker und seiner Partei werden seine Forderungen tatsächlich nur Sprüche bleiben – das weiß er. Doch seine Ministerpräsidentin Heide Simonis hat er in vielen Punkten bereits auf seine Seite gezogen. 

BAM

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Falscher Mann im Ruhestand

Was macht eigentlich Michael Bouteiller? Lübecks Ex-Bürgermeister, der öffentlich den Tod von 18 Asylbewerbern beweinte, ist wieder Rechtsanwalt. Teil 4 der Serie über PolitikerInnen nach der Politik

VON ELKE SPANNER,

taz. die tageszeitung, vom 10. 8. 2006

Als Bürgermeister hatte Michael Bouteiller natürlich immer eine Chefsekretärin. Heute schreibt er seine Schriftsätze selbst. Die Rechtsanwaltskanzlei, in der er arbeitet, betreibt er ganz allein. Sie liegt in einem bewaldeten Wohngebiet, in dem man Unbekannte an der Bushaltestelle freundlich grüßt. Auch Bouteiller lebt hier. Sein Büro liegt unmittelbar neben dem Bungalow der Familie in einem kleinen Fachwerkhaus. Der Weg ins Arbeitszimmer führt durch einen Raum, der mal Hobbyraum gewesen sein könnte. Dunkelgraue Auslegeware, ein Sofa, daneben die Stereoanlage. Dort sitzt Bouteiller und hört Musik, während er den Besuch erwartet. Er hat sich ins Privatleben zurückgezogen.

Über Jahrzehnte war Bouteiller dort zu Hause, wo Entscheidungen getroffen werden – im repräsentativen Rathaus und in der Parteizentrale der örtlichen SPD. Auch heute noch findet sich seine Unterschrift unter politischen Aufrufen und Dokumenten. Für die „UN-Commission on Peace and Crisis Prevention“ etwa hat er ein Statut mitverfasst. In der Öffentlichkeit aber steht er damit nicht. „Langsam können auch mal Jüngere ran“, sagt der 63-Jährige.

Bouteiller wurde weit über die Hansestadt hinaus bekannt, als ihm am 18. Januar 1996 vor laufenden Fernsehkameras Tränen über das Gesicht liefen. In jener Nacht ging die damalige Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße in Flammen auf, zehn Menschen starben, 38 wurden zum Teil schwer verletzt. Ein Brandanschlag, der niemals aufgeklärt wurde. Bouteiller war vor Ort. Er sah den Schmerz um sich herum und brach selbst in Tränen aus. Doch das Bild eines Funktionsträgers, der sich hilflos und verzweifelt zeigt, war schwer auszuhalten für eine Stadt, die sich plötzlich als rechte Hochburg angeprangert sah. Man wollte Stärke beweisen, Selbstsicherheit, und dafür war Bouteiller der falsche Mann, zumindest in diesem Moment. Er hat viel Hass geerntet dafür. „Betroffenheitskult“ ist noch eine der harmloseren Beschimpfungen, die er sich für seine Gefühle anhören musste.

Nur wenige Wochen später forderte Schleswig-Holsteins Innenminister Ekkehard Wienholtz (SPD) öffentlich den Rücktritt Bouteillers. In der Zwischenzeit hatte der zum zivilen Ungehorsam zum Schutz von Flüchtlingen aufgerufen, das Asylrecht scharf kritisiert und den Überlebenden des Brandanschlages unbürokratisch Passersatzpapiere ausgestellt, damit diese ihre getöteten Angehörigen in der Heimt beerdigen lassen konnten.

Für Bouteiller ist wesentlicher Teil der Tragik des 18. Januar 1996, „wie die Leute darauf reagiert haben“. Das Befremden darüber war sein erster Bruch mit der eigenen Partei. Bouteiller hat viel zu erzählen, wenn er über die Politik der SPD spricht. „Ja-Sagerpartei“, „kapitalhörig“, „unsozial“ – sie sind längst keine Freunde mehr. 2002, zwei Jahre nach Ablauf seiner Regierungszeit, ist Bouteiller aus der SPD ausgetreten.

Ein wenig hat er anschließend mit der WASG geliebäugelt. Er hat mehrere Kongresse der neuen Partei besucht, denn „wir brauchen ganz dringend eine Alternative in dieser Republik“. Dann hat er sich doch gegen ein aktives Mittun entschieden. Bouteiller ist müde – oder wirkt es nur so, weil er mit leiser Stimme spricht? Nach 40 Jahren Politik, sagt er, „will ich nicht mehr vorne stehen“.

Die Haare des 63-Jährigen sind nur ein wenig ergraut. Er trägt eine runde Nickelbrille und ein schwarzes Poloshirt, Wasser schenkt er aus der Plastikflasche ein. In seinem Anwaltsbüro stehen nur einzelne Ordner. Seine jetzige Tätigkeit ist eher beratend, Akten bearbeitet er kaum. Wenn er über seine Fälle spricht, beschreibt er Konflikte zwischen Menschen und keine juristischen Probleme. Mediation, Kommunikation, das sind Begriffe, die ihm wichtig sind. Nebenbei ist er freier Konfliktmoderator im Dortmunder „Institut für Kommunikation und Umwelt“. In Herdecke beispielsweise hat er zwischen den Betreibern einer Abfallrecyclinganlage und den Nachbarn das Gespräch vermittelt.

Den einstigen Kommunalpolitiker hört man bei Bouteiller nicht mehr raus. Die Frage nach seinen heutigen politischen Aktivitäten beantwortet er mit einer Abhandlung über den Völkerrechtskonflikt im früheren Jugoslawien, die verheerende Menschenrechtssituation im Kongo und das Selbstverständnis der USA, Friedensbote in der Welt zu sein. Bouteiller erzählt in unzähligen Details. Er wirft mit Namen um sich, springt gedanklich von einem Katastrophengebiet ins nächste und verzettelt sich manchmal in Einzelheiten, als würde er in seiner Erzählgeschwindigkeit noch von den Gedanken überholt. Es ist nicht immer leicht, ihm zu folgen. Zwölf Jahre war er Bürgermeister, da spricht man auch ungefragt. Doch seine Sätze offenbaren nicht die Gewöhnung an Macht, sondern den Wunsch, andere an seinen Überlegungen teilhaben zu lassen.

Der Bungalow, in dem Bouteiller lebt, ist von außen schlicht. Die Einrichtung aber ist modern und geschmackvoll. Hinter der Wohnzimmertür hängt ein Bild, das er selbst gemalt hat. Zu sehen ist das Lübecker Holstentor, auf das eine schwere Pistole gerichtet ist. Davor kauert eine Taube, die zu diesem Zeitpunkt noch lebt. Sie steht für einen Mann, der mit Nachnamen Schöntaube hieß, in Lübeck auf der Straße lebte und eines Tages von einem Ordnungsfanatiker erschossen wurde.

Bouteiller kannte diesen Mann gut. Er hatte Schöntaube zufällig beim Bummel an der Trave kennengelernt, als er mitten im Bewerbungsverfahren um den Posten des Bürgermeisters war. Im Laufe ihrer Plauderei hatte Bouteiller das erzählt. Und Schöntaube hatte erwidert: „Wenn du Bürgermeister wirst, dann werde ich Kaiser von China.“ Daraufhin gab Bouteiller ein Versprechen ab: Sollte er den Regierungsjob bekommen, würde er Schöntaube am ersten Arbeitstag zum Mittagessen einladen.

Das Versprechen hat er eingelöst – und sich gleich die erste Kritik eingehandelt. „PR-Gag“, höhnte die örtliche Presse zur Begrüßung des neuen Amtsinhabers. Wenige Monate später war Schöntaube tot. „Dieses Erlebnis“, sagt Bouteiller, „hat mich in meiner Amtszeit am meisten berührt.“

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Allgemein/Politik/Geschichte Lübeck

Weimar fand in Lübeck nicht statt

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Allgemein/Politik/Geschichte Carbonindustrie Lübeck

Bürgermeister vergrätzt die Atomlobby (17.5.1988)

Bürgermeister vergrätzt Atomlobby

https://youtu.be/PjdcDAQWs4A
Begrüßungsrede auf Atomforum

■ Zur Jahrestagung Kerntechnik 88 in Lübeck–Travemünde fordert der Bürgermeister, Lübeck nicht als Umschlagplatz für Atommüll zu mißbrauchen / Lokales Bündnis in Lübeck organisiert Protestaktion

Aus Travemünde G. Rosenkranz

Für einen Eklat sorgte das Grußwort des neugewählten Lübecker Bürgermeisters Michael Bouteiller (SPD) zur Eröffnung der Jahrestagung Kerntechnik 88 in Lübeck–Travemünde. Vor der am Dienstag morgen versammelten bundesdeutschen und europäischen Atomgemeinde verzichtete das Stadtoberhaupt auf die bei solchen Anlässen üblichen Freundlichkeiten.

Die Mehrheit der LübeckerInnen sei nicht länger bereit hinzunehmen, daß die Stadt als „nordeuropäischer Umschlagplatz für Atommüll“ mißbraucht werde, erklärte Bouteiller und zitierte aus einem Beschluß der Lübecker Bürgerschaft, in dem diese den „vollständigen Verzicht auf Atomstrom“ gefordert hatte. Die Landtagswahl wertete der erst seit Anfang Mai amtierende Bürgermeister als „Entscheidung gegen die Kernenergie. Damit müssen Sie sich auseinandersetzen.“

Herren im dunklen Anzug quittierten Bouteillers Auftritt mit Zischeln, Pfiffen und vereinzelten „Lüge“–Rufen. Der Jung–Bürgermeister hatte dem ursprünglich als Vertreter der Stadt vorgesehenen Finanzsenator Gerd Rischau (CDU) kurzfristig von der Redeliste gekippt und die Begrüßung des Atomkongresses selbst übernommen.

Für den Dienstagabend plante Bouteiller einen weiteren Auftritt, diesmal vor den Demonstranten gegen die Veranstaltung. Ob es dazu kommen würde, stand bei Redaktionsschluß allerdings noch nicht fest. Am Montag abend hatte das lokale Bündnis, das die Protestaktionen organisiert, den Auftritt des Bürgermeisters bei ihrer Veranstaltung davon abhängig gemacht, ob er am Morgen „ausreichend deutliche Worte“ finden würde.

Bevor Bundesreaktorminister Töpfer als Hauptredner der Eröffnungssitzung das Wort ergriff, fand Staatssekretär Karl Treml als Vertreter der noch geschäftsführenden schleswig–holsteinischen CDU–Landesregierung bewegte Worte. Treml entbot der Atomgemeinde das vom Bürgermeister verweigerte „herzliche Willkommen“ und empfahl sich – „Ich halte an meiner persönlichen Überzeugung zur Nutzung der Kernenergie fest“ – für einen neuen Job. Bundesreaktorminister Töpfer erklärte in seinem einstündigen Grundsatzreferat, die „Gerüchte und Vermutungen“ über eine mögliche Verletzung des Atomwaffensperrvertrags hätten sich als haltlos erwiesen. Sein nahezu abgeschlossenes „Entflechtungskonzept“ als Reaktion auf den Transnuklear–Skandal lobte er als „ein hervorragendes Beispiel für das erforderliche Zusammenwirken von Staat und Industrie“.

Töpfer kündigte an, er wolle künftig „periodische Sicherheitsüberprüfungen“ für alle bundesdeutschen Atomanlagen in Zeiträumen von weniger als zehn Jahren verbindlich vorschreiben. Töpfer beschwor die „Erneuerung des energiepolitischen Grundkonsenses, nicht ohne der neuen schleswig–holsteinischen Landesregierung bei ihren angekündigten Ausstiegsbemühungen einen heißen Tanz anzukündigen. „Ich werde nicht zulassen, daß aus nicht sicherheitsgerichteten Überlegungen politische Entscheidungen“ gegen die Atomenergie gefällt werden“, rief der Minister unter dem Beifall der Atomgemeinde.

PreAg–Chef Herbert Krämer riet dem Lübecker Bürgermeister nach der Eröffnungssitzung, angesichts von 16 Prozent Arbeitslosigkeit in seiner Stadt „sollte er mit seinen Gästen etwas anders umgehen“.

taz 18.5.1988 – https://taz.de/Buergermeister-vergraetzt-Atomlobby/!1848822/